Das Schulbuch wird dem Sortiment neue Chancen bieten. Doch schon dräut ihm mit neuer Konkurrenz auch eine neue Bedrohung

Es kommt selten vor, doch gelegentlich vernimmt man aus Verlagskreisen tatsächlich eine neue überraschende These, dass es einem die Sprache verschlägt und man die Dinge in einem ganz anderen Licht sehen zu müssen meint. So ist es mir in der vergangenen Woche ergangen.

Die Publikumsverlage stöhnen unter den Rabatten, die sie dem Buchhandel einräumen und die sich – inklusive Werbekostenzuschüsse, Boni und Zahlungsziele – „seit fünfzehn Jahren kontinuierlich erhöht haben“, wie ein Geschäftsführer kürzlich feststellte. Das mag vielerlei Gründe haben, doch der Finanzchef eines großen Hauses hatte dafür eine innovative These parat: Mit ihren hohen Rabatten müssen sie – wow! die Wissenschafts und Schulbuchverlage alimentieren, welche dem Sortiment bekanntlich wesentlich schlechtere Konditionen geben – nämlich 30 bzw. maximal 25 Prozent. Wow!

Ich war von solch kreativer Sichtweise des Problems tief beeindruckt.

Mein Freund Volker Hasenclever wies mich dann freilich bald darauf hin, dass wissenschaftliche Literatur in Deutschland heute nur mehr von höchstens 200 Buchhändlern geführt wird. Mit Wissenschaft hat das breite Sortiment inzwischen nichts mehr am Hut.

Und das Schulbuch ist für die Sortimenter, die es verkaufen, schon immer ein Zusatzgeschäft – es ist kurzsaisonal, bedeutet praktisch kein Einkaufsrisiko, erfordert kaum Lagerhaltung und folglich wenig Kapitalbindung. Diese Faktoren sind gewöhnlich auf Belletristik, Sachbuch, Ratgeber, Kinder- und Jugendbücher beschränkt – auf Ware von Publikumsverlagen eben. Die These, sie müssten die Kollegen aus den übrigen Buchsektoren im Buchhandel mitfinanzieren, ist demnach so viel doch nicht dran.

Dennoch, die Behauptung des Finanzchefs gab einen Anstoß zu weiteren Überlegungen. Denn wenn, so wie es aussieht, in einem Bundesland nach dem andern die bisherige Lernmittelfreiheit aufgegeben wird – die Kassen der öffentlichen Hand sollen entlastet werden – und die Eltern die Schulbücher ihrer Kinder kaufen und bezahlen müssen, dürfte das Geschäft sich fürs Sortiment endlich lohnen: Da wäre es mit dem überwiegend 15prozentigen Nachlass, den die Sortimenter den Schulträgern gewähren müssen, ja wohl vorbei und es gäbe immerhin einen Rabatt von 25 Prozent, der bei ihnen verbliebe. Das würde die Buchhandlungen stärken und eben nicht ganz so komplett vom Verkauf der Titel aus den Publikumsverlagen abhängig machen.

Wer bereits – als erster – erkannt hat, dass hier wahrscheinlich bald recht viel zu holen sein wird, ist Weltbild. Weltbild will in das Schulbuchgeschäft einsteigen – online und über seine Weltbildplus-Läden –, womit Weltbild sich gewiss auch einen noch dickeren Brocken am Umsatz mit Werken wie Duden usw. sichern will, die bislang Brotartikel des normalen stationären Sortiments darstellen.

Und ob Weltbild sich mit dem bisher üblichen Rabatt zufrieden geben wird, darf bezweifelt werden.

So wird, was eigentlich für den klassischen Buchhandel eine Chance ist, gleich wieder zu einer neuerlichen Bedrohung. Oder?

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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