Der Messe-Mayer DIENSTAG: Laubsäge, Laken und Altbier

Liebe Freunde,

willkommen zur Frankfurter Buchmesse 2015! Mit Indonesien haben wir uns ein Gastland ausgewählt, dessen Lesekultur noch viel Potential aufweist! Ein Buch ist dort so teuer, als würde es bei uns 200,- €uro kosten! Kein Wunder, dass in einem solchen Literaturbetrieb Nebenformen wie Schattentheater und Pressekonferenzen gedeihen können.

Kein Grund, nicht auch einen eigenen Aufkleber zu haben.

Alle sind bereit, alle sitzen in den Startlöchern. Der Herder-Verlag hat sich sogar endlich einen Milchaufschäumer zugelegt, nachdem ich im vergangenen Jahr meinen Kaffee ungemilcht beseufzen musste. Gabriela Riegel sandte mir das:

Was für ein Riesengerät! Direkt vor dem Urwald von Pflanze.

Eine Eigenart der Messe ist, dass sie immer mehrere Eröffnungen hat. Ach was, mehrere: Dutzende. Bevor am Mittwoch offiziell eröffnet wird, üben wir Messemenschen erst alle den ganzen Dienstag lang feierliche Eröffnungen an der Presse, an uns selbst, für- und untereinander.

Ich selbst zum Beispiel habe auch in meinem Laden am Montag die Messe eröffnet und mir Dora Heldt in die Buchhandlung in Hessen geholt, kaum dass Sie im Messehotel angelandet ist. Sie konnte noch nicht mal die Handtücher klauen, so schnell ging das.

Aber die Messe geht ja noch eine Weile.

Aber darüber können Sie im November-BuchMarkt lesen. Nach dieser Eröffnung muss ich nämlich selber auf meine nächste Eröffnung:

DIE PRESSEKONFERENZ

Als Gastredner haben wir dieses Mal Sir Salman Rushdie eingeladen, den berühmten Iranbeleidiger. Wir haben ganz schön geguckt, als er die Einladung angenommen hat. Der Iran auch. Eines muss man der Messe lassen: Sie weiß, wie man rockt.

Jedenfalls machte das erhebliche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich. Mein Koffer wurde geröngt, ich musste alles von mir lassen, auch meinen Gürtel und vor allem meine Würde, einen Detektor passieren, meinen Ausweis vorzeigen und dreimal „Mariechen war ein Frauenzimmer“ singen. Ich wurde auf Vorstrafen oder Verdächtiges durchleuchtet. Ich musste sogar demonstrieren, dass meine Kamera eine Kamera ist. Und ich habe keine Ahnung, wie die funktioniert.
Bei meinem Pech erschieße ich noch jemanden mit dieser Kamera, einfach so aus Versehen.

Aber alles klappte, bei jedem erfolgreichen Untersuchungsschritt bekam ich einen Täg und einen Klaps auf den Po. Täg, so wie in HashTag.

Und meine tapfere Kamera natürlich auch!

Puh, das beruhigt mich aber. Wenn die jedem Terroristen einen Täg an die Kamera machen, könnte man viel Unheil auf der Welt verhindern.

Rushdie genießt großes Ansehen für seine schönen Bücher und sein Engagement für die Redefreiheit. Das schlägt sich auch in der Ausstattung des Pressesaales nieder:

So einen Büchertisch hatte Coelho aber nicht

Es schlägt sich aber auch in der Prominenz der anwesenden Journalisten nieder.

Klar, wo es einen Haufen Gratisbücher gibt, kann Denis Scheck nicht weit sein

Endlich kommen Messeboss Boos, Börsenvereinsboss Riethmüller und der seltene, begehrte Gast aus einem Hinterzimmer, das sie durch ein Hinterzimmer betreten haben.

Als sie sich setzen, stürzen sich die Fotografen mit ungewöhnlicher Vehemenz auf das Rednerpult. Das wäre mir viel zu nah, wenn ich noch immer auf Ayatollas Liste stünde.

Muss das denn sein?

Auch Pressesprecherin Katja Böhne behält das alles wachsam im Auge, während ich sie im Auge behalte.

Andy Serkis, ganz links, behält dafür mich im Auge.

Nun werden die Hausaufgaben verlesen. Das mag ich jedes Jahr am liebsten. Nein, das ist natürlich Unfug. Schnittchen mag ich am liebsten. Aber wenn ich schon mal hier bin… Zuerst ist Verbandsvorsteher Heinrich Riethmüller dran.

Er eröffnet mit der Mahnung, dass Rushdies Todesdrohung womöglich schon in Vergessenheit geraten sei.

Das hätte er nach dieser Leibesvisite nicht gesagt.

Pluspunkt: Seine Rede ist schön kurz.

Als nächstes ist Juergen Boos dran, der Herr Direktor der Frankfurter Buchmesse. Seine Rede enthält dieses Jahr keine Schaubilder. Auch ein Pluspunkt. Dieses Jahr präsentiert er ein paar kurze Buchvorstellungen vom alten Weidhaas und vom neuen Rushdie, bevor er endlich an Rushdie übergibt, dessen Flugzeug schon mit laufenden Düsen draußen auf der Agora wartet.

Hat denn den eigentlich jemand durchsucht?

Rushdie hielt eine leidenschaftliche und gerechte, eine fordernde und entrüstete Rede über die Not und Notwendigkeit der Redefreiheit und darüber, wie wichtig Vielfalt ist. Aber er war entspannt und hatte etliche Lacher. Und vor allem war der Applaus der Journalisten am Ende sehr, sehr lang anhaltend. Rushdie hat jeden im Saal angesteckt, er hat jedem aus der Seele gesprochen.

Naja, mir jedenfalls. Und hoffentlich Denis Scheck.

Beachten Sie bitte auch den Berufsblick vom Securitymann hinten.

Mal sehen, ob wir das größer kriegen…
Der hat bestimmt Denis Scheck am Rushdie-Stapel erwischt.

Nachdem der Applaus beendet war, schloss Rushdie mit „I have to catch a plane“ und war auf und davon.

Dann machten Riethmüller und Boos die obligate Fragerunde mit der Weltpresse eben alleine. Eine der Fragen lautete, warum die Buchmesse so kurz sei. Sie könne doch auch zehn oder vierzehn Tage dauern.

Schmeichelhaft, aber nö, Du, lass mal lieber.

Während sich der Saal unhöflicherweise nach und nach halbwegs unleise halbleerte, konnte ich wenigstens Juergen Boosens Bücherstapel fotogafieren.

Obenauf der Weidhaas, Geschichte der Frankfurter Buchmesse

Dieses Jahr wurden übrigens keine Namensschilder auf Papier gedruckt, sondern ordentliche Laubsägearbeiten in teppichblau angefertigt.

War das John Dieckmanns allerletzte Basteltat?

Erleichtert, weil Salman Rushdie sein Flugzeug so schnell gekriegt hat, will ich mir nun das Pressezentrum ansehen. Das hat man dieses Jahr extra im Congress Center untergebracht. Einen Teil in ein tristes Zimmerchen, der Rest bekommt Tische in den Flur geschoben.

Das sieht nicht nach Weltpresse aus, sondern nach Banktermin am Nachmittag.
In den Flur? Das waren Zeiten, als mir das oberste Stockwerk von Halle 6 gehörte.

Wenigstens treffe ich hier den geschätzten Kollegen Nicola Bardola, der auf dieser Messe seine eigenen Bücher bereits bei Piper, Arena und dtv im Trockenen hat.

Ob er auch einen Täg hat?

Und schauen Sie nur, wie er mir auf den Keks geht, weil er eigene Promo-Glückskekse dabei hat.

Oh je, ein GlücksTäg.

Dafür spendet Herr Bardola mir eines seiner Fotos:

© Nicola Bardola: Juergen Boos findet meine Kekse toll

DER GASTLANDPAVILLON

Nach der Pressekonferenz wird der Gastlandpavillon eröffnet. Der Gastlandpavillon ist wie eine Art Übermessestand: Das Gastland darf ein paar Bücher ausstellen, bekommt dafür aber einen ganzen Hangar zur Verfügung. Und man muss anerkennend sagen: Indonesien hat einfach abgedunkelt, auf optische Lesebrillenlautstärke heruntergedimmt und ein paar Laken und Stores aufgeängt. Herzlich willkommen im gemütlichsten Riesenschlafzimmer des Leseherbstes.

Und das sieht dann genau so prachtvoll, mystisch und gemystlich aus.
Oder so. Ah, da sind ja Bücher.

Aber es gab bei weitem nicht nur wehende, bläuende Gardinenquader. Es gab zum Beispiel auch welche mit Bildschirm.

Das symbolisiert den Fernseher im Schlafzimmer.

Oder welche mit Wandtattoo.

Klappt nur, wenn man links vom Bett steht

Und nicht nur in blau, auch in pink.

Klassische Schlafanzugfarben

In jedem Schlafzimmer gibt es auch die schöne Nachttischlampe:

Mit Klickzugschalter, bestimmt!

Und so sehen diese SäulenQuaderFlatterDinger von unten aus:

Ich weiß gar nicht, ob man das darf

Aber das mit der Perspektivenschrift haben sie drauf, die Indonesen:

Äh, was?
Ah, na dann. Auch als Tasse zu haben.

Wie es sich für ein Schlafzimmer gehört, wird hier nicht so viel Remmidemmi gemacht oder herumgetobt. Folianten werden mit weißen Handschuhen betrachtet!

Falls das nicht Neurodermitis oder Micky Maus ist.

Leise wird Kammermusik gespielt. Die Instrumente klingen alle wie eine Schalmei.

Besonders die Trommeln.

Oh, wie drollig: Auf dem Fußboden gleiten leuchtende Buchstaben hin und her!

Genau wie beim Vorspann von Beaking Bad!

Eines nur hat mich sehr enttäuscht: Als ich plötzlich die herrlichsten Gerüche wahrnahm, edle Pfeffer, Rinden, Kräuter und Samen, ist gleich mein Magen wieder aufgewacht. Und dabei war das gar keine Häppchentheke, sondern eine Gewürzdekoration.

Aud Trotz habe ich einen Löffel Kurkuma gegessen.

Und mehr Motive kann nicht einmal ich hier herausquetschen. Deshalb mache ich nun meine Runde durch das Chaos der Hallen und Stände, nur Stunden vor der Aufbaudeadline. Ich zeige Ihnen Werbung, kulinarische Vorschau, Kurioses und zwei Selfies.

HALLEN UND STÄNDE IM CHAOS

Die Werbung hielt sich in Grenzen. Ich freue mich schon auf den neuen Asterix, der am 22. Oktober erscheinen wird. Im Obergeschoss von Halle 3 haben die Gallier schon mal das Werbelaken zum Trocknen rausgehängt:

Und jedes Jahr stellen die Toilettenspiegel eine neue Herausforderung für die Werbeschaffenden dar. (Um Gottes Willen, gibt es da etwa richtige Fachleute, die sich auf stuhlgangbezogene Wortspiele spezialisiert haben?) Dieses Jahr jedenfalls haben die Aggropromoter von „Vorsicht, Buch!“ wie folgt zugeschlagen:

Will ich als Buchhandlung SO gefunden werden?

Die kulinarische Vorschau gibt natürlich noch nicht viel her, aber ich bin jetzt neugierig geworden und freue mich auf die Eröffnungen am Mittwoch:

Elegant ruht Tre Torri, bis ich es aus dem Schlaf erwecken darf
Ein Suppenkaspar! Oder wie hieß diese eine Seinfeld-Folge?
Mal was anderes als Hot Dogs
Ich bin sicher, als German Wirtshaus liefe es noch besser
Was hier verkauft wird, sehe ich erst morgen.

Das Skurrile ist ja eigentlich am Aufbautag für alle völlig normal.

1. Die Waben haben in dieser riesigen Riesengröße etwas Beunruhigendes.

Mittwoch werden noch ein paar Liter Honig auf den Boden gegossen

2. Wie cool ist DAS denn? Haben die doch einfach eine Rolltreppe außen vor Halle 3 montiert. Juergen Boos als Thor hat sie in den Boden gerammt.

Ich wollte ihn ja erst Messehulk nennen

3. Die komplette Buchmesse, noch neuleuchtend aufgerollt

Ich weiß auch nicht, warum ich das schön finde

4. Im Verlag wird vorher genauestens ausgeklügelt, wo welche Bücher hingeräumt werden.

Optische Inventur

5. Der Wiley-Verlag hat lauter Arbeitsstationen aufgestellt, die aussehen wie elegante, stylishe Cyborgtoiletten:

Oder Flipper aus der Zukunft.

6. Und tatsächlich aber: Hier können Cyborgs aus allen Stromspannungszonen der Erde auftanken!

Jetzt hätte ich gerne einen amerikanischen Fön zur Hand

7. Der Mentis-Verlag, ein wundervoller Kleinverlag für Philosophie, hat keine Bücher, weil VSB das Paket zur Messe Hannover geschickt hat.

Halle 3.1 K 13

8. Ich dachte immer, in diesen großen, beeindruckenden Arbeitsboxen auf Rädern seien Werkzeuge, Utensilien und Blaumänner drin.

Aber das sind ja mindestens 85 Dezibel Simon and Garfunkel

9. Und Ali Mitgutsch sieht total aus wie Hulk Hogan.

Und wessen Biographie würde ich wohl lieber lesen?

10. Halle 4.2 ist so ordentlich, dass sogar der Müll dort langweilig ist:

Im Ernst jetzt?

11. Dieser Gabelstapler guckt, als hätte Stephen King ihn geschrieben.

wroooommmmmmmm, wroooooooooommmmmmmmmmm

und 12.: Schauen Sie nur, Matt Damon in seiner grandiosen Rolle als Tom Hanks!

Yps – der Film

Und die zwei Selfies waren:

Julia Graff schießt mich
Küchenjungs Matthias Seuring und Matthias Mayer

ALTBIER

Auch dieser bewährte Abschluss eines Aufbautages ist im Grunde eine, Sie ahnen es, Eröffnung! Der BuchMarkt hat nämlich aus rätselhaften Gründen zu Beginn jeder Frankfurt-Messe ein Fass Altbier dabei!

Oder zwo.
Rechts mit Bart und Brille: Jörg Sundermeier vom Verbrecherverlag
Karen Grol-Langner von Stories & Friends mit Herrn Geyer
Börsenvereins-Justitiar Dr. Christian Sprang
Alexander Elspas und Doctor Who
Ralph Tornow, Jochen Große-Entrup und Bestseller-Star Dora Heldt;
ganz hinten rechts Matthias Koeffler vom Langendorf-Dienst
Online-Gurin Wibke Ladwig und das letzte Selfie des Tages
Die Gang: Holger Ehling, Maren Ongsiek von der Frankfurter Messe, Karen Grol-Langner
und, ohne äußere Verletzungen, Vielflieger-Verleger Felix Busse
Diesmal habe ich sogar eine Kameradrohne dabei.
Ongsiek, Sprang und Geißler (Suhrkamp) ahnen nichts.

Nun erzeugt es ja jede Menge Müll, wenn irgendwo ein Gratisfass Bier aufgeht. Aber weil die Nachbarstände leer sind, kann man das ja einfach da hinstellen!

Pfui! Nicht mal alles leergetrunken!

Aber bis zum nächsten Morgen ist das angetrocknet und riecht gut, deshalb sollen unsere indonesischen, muslimischen Standnachbarn das mal nicht so eng sehen. Dafür hat unsere neue Außenrolltreppe nämlich eine Nachtbeleuchtung.

Überhaupt der einzige Grund, warum sie draußen steht

Ich wünsche Ihnen einen guten ersten Messetag nach dem ersten Messetag, also einen guten Mittwoch.

„Gurin“ soll die weibliche Form von „Guru“ sein, so wie „Der Geish“ oder „Der Nutt“.

Heute regnet es. Ich werde trotzdem diese Außenrolltreppe benutzen. Selbst wenn es so stark regnet, dass ich dabei von Lachsen überholt werde.

Herzlichst,

Ihr und Euer
Matthias Mayer

Unerwartete Indonesier, Teil 1 von 6:
Der Orang-Utan

herrmayer@hotmail.com

www.herrmayer.com

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