Was Literaturblogs angeht, hatte der Juli eine kleine Zeitreise zu bieten, die uns ein paar Jahre zurückgeführt hat. Kritikerin Sigrid Löffler monierte in einem Gespräch im Deutschlandfunk die „subjektiven Geschmacksurteile“ der Buchblogger; für die professionelle Literaturkritik sei dies eine „unerwünschte Konkurrenz“ im Internet. Man sollte meinen, dass in dieser alten Debatte schon alles gesagt sei; denn eigentlich ist ja längst klar, dass Blogs die Literaturkritik ergänzen, nicht ersetzen – zu verschieden sind die Ansätze. Blogger Simon Sahner – einer der Mitbetreiber von 54Books – fand dazu in einer sehr reflektierten Erwiderung die passenden Worte; nachzuhören und nachzulesen ebenfalls auf Deutschlandfunk Kultur. Und natürlich gibt es in der riesigen Bloggerszene eine große Bandbreite an inhaltlicher Qualität. Ein Ziel dieser Kolumne ist es u.a., hier eine Orientierungshilfe zu geben.
Wenn zwei Personen, deren Urteile man schätzt, ein Buch komplett gegensätzlich bewerten, dann macht das neugierig. Es geht um den Roman „Das Gartenzimmer“ von Andreas Schäfer, erschienen bei DuMont. Von Marina Büttner gibt es im Blog Literatur leuchtet einen Komplettverriss, während es Marius Müller auf Buch-Haltung als ein echtes Lesehighlight bezeichnet. Und beide begründen ihre Meinung ausführlich. Zum Glück liegt das Buch hier schon bereit, denn jetzt bin ich sehr gespannt darauf.
Eine wunderbar einfühlsame Besprechung, die den Inhalt des Buches mit unserem Alltag im Hier und Jetzt verbindet, gibt es im Blog Bookster HRO. Dort stellt Stefan Härtel das Buch „Die Herzen der Männer“ von Nickolas Butler vor. Bitte unbedingt den Blogbeitrag lesen. Und das Buch auch, Butler ist einer meiner Lieblingsautoren.
Und da gerade das Wort „Lieblingsautor“ fiel: Daniel Woodrell gehört mit seinen düsteren, oft sehr düsteren Romanen ebenfalls dazu. Mareike Fallwickl findet im Blog Bücherwurmloch genau die richtigen Worte für seinen Roman „Der Tod von Sweet Mister“.
Unter dem Titel „Die Möglichkeit einer Insel“ gibt es im Blog Aufklappen einen sehr lesenswerten Text über die Veränderungen auf der Insel Hiddensee, die schon immer Sehnsuchts- und Rückzugsort für Literaten und andere Künstler war. Ist die Magie dieser Insel dabei zu verschwinden?
Es ist schon eine Tradition: Pünktlich zur Sommerferienzeit hat Marina Müller in ihrem Blog Nordbreze und so zum dritten Mal das Dicke-Bücher-Camp ausgerufen. Leser sollen sich bewusst für voluminöse Werke entscheiden und unter dem Hashtag #dickebüchercamp auf Twitter und Instagram über ihre Lektüreerfahrungen berichten – es ist hochspannend, was da so zusammenkommt.
Um das Buch „Writers & Lovers“ von Lily King geht es im Blog Pinkfisch. Buchhändlerin und Bloggerin Sarah Reul ist vollkommen begeistert davon. Und teilt diese Begeisterung mit Alexandra Koch, die in ihrem Blog The Read Pack das Buch ausführlich bespricht.
Marion Rave vergleicht auf schiefgelesen William Shakespeares „Macbeth“ mit der modernen Adaption von Jo Nesbø, die er für das Hogarth Shakespeare-Projekt geschrieben hat. Eine schöne Gegenüberstellung, die den alten Text wieder in Erinnerung ruft und den neuen kritisch würdigt.
„Kann ich das essen oder bringt mich das um?“ – Ulrike Sokul beschäftigt sich in ihrem Blog Leselebenszeichen mit dem gleichnamigen Buch über essbare Wildpflanzen. Pflanzen, die wir Menschen einer modernen Welt meist gar nicht mehr kennen.
Anke Strunz hat sich mit Ankes Blog auf Literatur aus Skandinavien spezialisiert. Im Juli hat sie dort den Roman „Der Sommer mit Ellen“ der dänischen Autorin Agnete Friis besprochen. Das hat mich sehr gefreut, da ich in dem Verlag arbeite, in dem er erschienen ist – leider genau pünktlich zum Corona-Beginn. Es ist eines der vielen Bücher des Frühjahrs, die dadurch viel weniger Aufmerksamkeit erhalten haben, als sie verdient hätten.
Und es geht noch weiter nach Norden: Wolfgang Schiffer stellt uns in seinem Blog Wortspiele eine weitere Etappe seiner Reise durch die isländische Poesie vor.
In meinem Blog Kaffeehaussitzer bespreche ich das Buch „American Dirt“ von Jeanine Cummins. Ein Roman, der mich sehr bewegt und aufgerüttelt hat – erst nach der Lektüre habe ich erfahren, was für eine vollkommen aus dem Ruder gelaufene Debatte durch dieses Buch in den USA ausgelöst wurde.
Schließen möchte ich mit einer Besuchsempfehlung, denn neu entdeckt habe ich den Blog BritLitScout, der sich – klar – auf englische Literatur spezialisiert hat. Den Blog gibt es schon eine ganze Weile; für mich ist es ist immer wieder spannend, welche Entdeckungen man machen kann, wenn man in diesem Internet nach literarischen Themen sucht.
Auch wenn Corona unser Leben nach wie vor dominieren mag, wünsche ich uns allen einen wunderbaren Hochsommer mit viel Zeit für gute Bücher.
Uwe Kalkowski ist seit über 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. „Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben“, wie er sagt.
Sehr schöner Artikel, danke fürs Teilen.
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