Der Messe-Mayer Hetzelflucht, Sansibar und Jussi… …und jede Menge Robinsons

Liebe Freunde,

Samstag ist der Tag, an dem alles immer voller wird. Allerdings ist Samstag auch der Tag, an dem alle immer lässiger werden. Samstag ist im emotionalen Gedächtnis ohnehin immer ein schöner Tag.

Wie man sieht.

Aber das ändert nichts daran, dass es wieder voll wird. Vielleicht sollte GABAL hierzu mal ein paar Gratisseminare anbieten:

„Die Schlangenlinie und wie man sie meidet“

„Orientierung – erst gucken, dann laufen“

und

„Meine erste Rolltreppe“

Aber ganz früh, als die Morgenluft noch frisch und kühl und noch kaum ein Mensch da war, nehme ich bei dtv erst mal einen entspannten Frühstückskaffee mit dem dänischen Vielseitling Carl Valdemar Jussi Henry Adler-Olsen ein. Der Mann und ich waren so entspannt, dass wir komplett überhaupt kein Interview geführt haben. Wir haben Kaffee getrunken und geplaudert.
Um Gottes Willen, was erwarten Sie? Es ist Samstag! Hallo?

Adler-Olsen liest selbst keine Thriller. Er mag lieber lustige und skurrile Bücher. Aber beim Schreiben macht es ihm diebisches Vergnügen, seine Leser via ausgefeiltem und überzeugendem Täter-Innenleben sozusagen selbst in Mörder und Geisteskranke zu verwandeln. Also nicht wirklich natürlich, aber das Spiel mit den Identifikationsfiguren mag er.

Er war sogar früher selbst Verleger für die Bonnier-Gruppe! Er mag keine eBooks, er trinkt seinen Kaffee mit Milch und Zucker, er spricht Deutsch.

So. Können wir jetzt bitte endlich in Ruhe unseren Kaffee trinken?

Jussi, ein freundlicher und humorvoller Bibliophiler.

In Halle 4.0 hole ich mir Naschsachen ab, die Frauke Hartmann von KNV mir überreichen ließ. Leider haben wir einander ständig verpasst und uns diese Messe gar nicht gesehen. Aber das macht nichts, ich esse das Zeugs trotzdem auf.

Vielen lieben Dank! Die Buttons esse ich nicht mit.

Ich wusste übrigens gar nicht, dass man seine Stromprobleme hier in Halle 4.0 melden kann:

Das klingt fast wie eine Kollegenanrede unter Breakdancern.

Apropos staubige Trends: Die Antiquariatsmesse ist in einem Zelt auf der Agora untergebracht, damit die empfindlichen, jahrhundertealten Bücher nicht den Witterungseinflüssen in den Hallen ausgesetzt sind.

Und wer jemals eine dieser ZVAB-Tüten in die Hacken, die Hüfte oder den Wanst bekommen hat, der wird die Möglichkeit schätzen, auch außerhalb des Internets noch antiquarisch einkaufen zu können.

Alle sechs Erstausgaben von Dan Brown

Mittags war es so sonnig und warm, dass die jugendlichen Gäste sich auf der Agora in die Sonne setzten oder gar hinlegten. Wenn man nicht aufpasste, konnte man leicht in einen Teenager hineintreten.

Jetzt hab ich Teenager am Schuh.

Hineingetreten fühlten sich auch alle, die extra wegen Beckenbauer und Sportfreunde Stiller herkamen, denn die sind dann doch nicht aufgetreten. Um die argentinischen Gäste zu trösten, wurde die Aufzeichnung des WM-Viertelfinales auf Leinwand gezeigt.

Ja gut, da hätte man jetzt eh nicht viel versäumt. Ganz anders hingegen das Maggi-Kochstudio in der Gourmet-Gallery. Zusammen mit Tre Torri wird eine Lanze (oder wenigstens ein Weißbrot) gebrochen für das Familienessen, das aus den Selbstverständlichkeiten des Alltags immer mehr herausfällt. Gemeinsames Essen ist der Kick einer jeden Kultur, und es ist schön, den Kindern beim Schnippeln und Zubereiten zuzusehen.

Und noch schöner wäre es,
wenn mir endlich mal einer was anbieten würde.

Apropos Kultur: Bei dieser Beschriftung frage ich mich, ob man den Gourmand nicht etwa versehentlich für etwas Positives hält, wie z.B. den Gourmet.

Zur Not einfach auf eine kurze Visite nach 3.0 C 167 gehen

Bei Tre Torri findet sich immer beides, aber darum kümmere ich mich am abschließenden Sonntag noch. Für heute begnüge ich mich mit dem Foto von Claudia Gyr nebst Partner, die beide für die Schweizer Auslieferung Dessauer arbeiten.

Ich wusste gar nicht, dass Typen wie Ralf Frenzel
auch in die Schweiz ausgeliefert werden.

Apropos Abschied: Es ist Samstag Mittag, das heißt, dass Peter Hetzel bald heimfährt. Und wie ich ihn kenne, parkt er am Stand von Bastei Lübbe, bevor er sich aufrafft. Hetzel fährt nämlich immer schon Samstags heim, und Hetzel chillt gerne vorher noch.

Festhalten bitte.

Und hier sitzt man dann und versackt. Erstens kriegt man seinen Hintern nicht mehr hoch, weil man sich schon die ganze Woche mal hinsetzen wollte. Und zweitens erleidet man am Wochenende auch eine Art Messestand-Robinsonierung: Hauptsache, man konnte noch an irgendeinen Stand flüchten, bevor die Gänge so richtig voll werden; und da, wo man sich hinflüchtete (und sich Gottbehüte auch noch hinsetzt), da bleibt man dann erst mal. Wie auf einer Insel blickt man in den reißenden Strom, der am Stand vorbeizieht, und man ist froh über notdürftige Grundversorgung an Getränken und Schnittchen.

Tom Lehel: Bei Baumhaus statt beim Friseur

Hier ruht ja auch die Geschichte des einstigen Baumhaus-Verlages, der im nächsten Leben als Lübbe-Imprint weiterleben darf. Drei ehemalige Baumhaus-Damen bilden hier den schönsten Ehemalige-Mitarbeiter-Phantomschmerz der Welt, indem sie am Samstag direkt vor meiner Nase materialisieren!

Michaela Hennebaus, Regine Bruns und Ulrike Dick:
kehren immer wieder an der Ort ihrer früheren Untaten zurück

Und ganz ähnlich geht es auch am BuchMarkt-Stand zu: Dort treffe ich zum Beispiel auf Vetreterlegende Dieter Bohnenkamp nebst Gattin Margo.
Die Gattin ist aber nicht mit im Bild. Wenn Bohnenkamp Robinson ist, dann ist Peter-Uwe Sperber so etwas wie Freitag für Arme. Nennen wir ihn „Donnerstag Nachmittag“. Und vielen Dank nochmals übrigens für den schönen Kalender von Paperblanks!

Robinsondasein am BuchMarktstand: Bohnenkamp!

Auch Uta Niederstraßer erliegt der Versuchung, sich zu uns zu setzen; und hiervon können sie nicht einmal die trockenen Messekekse abhalten, die wir immer von den Vormessen hier herumliegen haben.

So sehen Leute aus, die bereits innerlich heimgefahren sind

Weil ich nicht mehr wusste, ob Dieter Bohnenkamp nicht doch vielleicht Walter heißt, wollte ich bei Dumont sicherheitshalber nachfragen. Oder war das Haruki Bohnenkamp? Jussi Bohnenkamp?

Elke Wehinger schließlich blättert in den Verlagsannalen ein paar hundert Jahre zurück und bestätigt mir dann den Dieter. Bevor ich meine Frage überhaupt stellen konnte, schubst mich Frau Wehinger sofort in den Dumont-Pressebereich, um mich mit einer Trennkordel in die Schranken zu weisen.

So ist diese Branche:
Immer füreinander da.

Eine Art musikalische Insel bildet der Gemeinschaftsstand der Musikverlage. Wem die kulturelle Untermalung wichtiger ist als Lachsschnittchen, der kann also auch hier ausrollen. Gut, werden Sie nun sagen, was habe ich dann hier verloren?

Na, bei jedem Konzert gibt es doch sicher Brezeln in der Pause!

Der Klarinettist Patrick Hagen stellt seinem Musikstück ein Zitat von Robert Musil voran:
„Je abstrakter Kitsch wird, desto mehr wird er Kitsch“

Leider ist ihm dann entfallen, was er uns damit sagen will, und besinnt sich wieder auf seine Stärke, das Klarinettespielen. Sie wissen ja, wann eine Klarinette am schönsten klingt.

(Leise knisternd im Kamin.)

Apropos boshafter Humor: Natürlich will ich auch bei S. Fischer meinen alten Berufsschulkameraden Felix Rudloff besuchen, aber seine Assistentin Ane Dahm lässt ausrichten, dass seine Rudloffheit bereits die Messe verlassen habe.
Und das bestürzt mich doch sehr:

…wieso hat der eine eigene Assistentin…
und ich nicht?

Ich hab höchstens Uli Faure, und um den zu ertragen, reichen fünf Assistentinnen nicht aus.

Wer Fischer sagt, sagt ein paar Meter weiter auch schon Rowohlt. Hier treffe ich niemand geringeren als meinen Chefredakteur Christian von Zittwitz, wie er sich gerade von Peter Kraus vom Cleff den neuesten Pad erklären lässt.

Ich hoffe, das geht nun nicht jedes Jahr so, dass man sich dauernd einen neuen Pad erklären lassen muss. Irgendwann benutzen wir diese Dinger hoffentlich ohne jedesmal eine Pressekonferenz zu lancieren, wenn ein neuer Pad einen Pixel mehr hat als der alte.

Ich mag ja nicht mal Kaffeepads.

„Und wo muss ich nun reinpusten?“

(Alternative Bildunterschriften wären:

„Und wo kommt der Joystick rein?“

„Aber legal ist der Nacktscanner noch nicht?“

„Gibt’s das auch schon als Buch?“

„Na, hier geht ja die Post App.“)

…dieser Zittwitz, das ist schon eine Insel für sich.

Dem Inselcharakter meines Robinson-Vergleiches kommt Collection Rolf Heyne am besten entgegen, denn der Edel-Nobel-Klein-Verlag hat seine Standgastronomie komplett im Zeichen der legendären Sylter Sansibar ausgerichtet! Kaffeetassen, Buchpromotion, Kult & Mythos & so fort.

Aber zunächst mal muss ich mich bei Jürgen Welte und Alexander Stauch entschuldigen, die ich im Freitagsbericht kurzerhand namentlich zusammengelegt hatte. Das ist inzwischen korrigiert und die Chimäre namens „Alexander Welte“ ist von der Pestflatte gelöscht.

Das ist der echte Alexander Stauch:
Name stimmt und viel zu tun.

Da sitze ich also ebenfalls wieder wie gestrandet und lasse die Bilder an mir vorüberziehen. Hier zum Beispiel sehen wir Christian Pflug und den zurecht empörten Peter Oepping von Dumont:

Muss das denn sein, dieser Mayer? Hat der kein Zuhause?

Da, und schauen Sie nur: Vom Kohl-Empfang darf ich sogar ein Originalfoto von Daniel Biskup benutzen!

Anja Heyne und Dr. Helmut Kohl
© Daniel Biskup

Aber wie gesagt, das war gestern. Vielleicht kriege ich das auch nochmal in der Printausgabe unserer kleinen Zeitschrift unter. Heute war eine Legende ganz anderen Kalibers da und pries Bücher in obszönen Zahlen an:

Dr. Ruth Westheimer und Anja Heyne

Der Verkaufsclou des Tages bestand nämlich aus einem unentschlossenen Buchhändler und Dr. Ruth Westheimers kurzerhand kanonisch verfügter optimaler Buchanzahl: Natürlich 69. Besonderen Nachdruck gewinnt das noch durch Dr. Ruths euphorischen Befehlston in Kombination mit ihrem ungeübten Umgang im Siezen:

„Du nimmst jetzt 69 Bücher. Schreib auf: Sixty-nine.“

Wer dieses Buch kauft, der habe guten Sex bis an sein Lebensende. (Wobei Dr. Ruth offen lässt, ob das eine u.U. direkt zum anderen führt.)

Aber der Deal steht (und nicht nur der), und der Buchhandel ist wieder um eine Anekdote reicher.

Es ist immer wieder verblüffend, wieviel Energie diese sehr kleine, alte Dame hat, und es ist immer wieder verblüffend, wie klein sie tatsächlich ist. Fernsehen ist ein Medium, das das sehr gut kaschiert…

…im Gegensatz zur Buchmesse.

Am besten lässt sich das ausgleichen, wann immer Dr. Ruth mit gleich großen Dingen umgeben ist.

Zum Beispiel mit der BILD-Zeitung.

Hier ist es schön, wie Sie sehen und lesen. Der Nachmittag bei Collection Rolf Heyne war sicher der lustigste der ganzen Messewoche. Aber leider endet auch der, damit mein Bericht beginnen kann. Ich bestücke meinen Koffer noch mit einem exklusiven Aufkleber der Sansibar und ziehe meiner Wege.

Frau Heyne, Welte, Stauch:
Ich danke auch.

Vornamen lasse ich sicherheitshalber gleich ganz weg.

Und das war mein Samstag.
(Und am Sonntag werde ich noch weniger arbeiten.)

Wenn Sie das hier lesen, werden die meisten von Ihnen bereits ihren Abschied vorbereiten, so dass ich Ihnen allen schon mal unabhängig von meinem Abschlussbericht eine gute Heimreise wünsche.

Alles weitere morgen.

Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

www.herrmayer.com

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