Der Messe-Mayer Kolumne vom Freitag

Heute war der letzte Fachtag dieser Messe, und heute war strahlendes Wetter. Außer natürlich in Halle 4, dort hält man an einem Messefreitag Wetter für einen Mythos. Wer es mal schafft, von Halle 4 in Halle 3 zu gelangen, fühlt sich, als hätte er es aus Alcatraz geschafft.

Bei Random House hat heute ein Teenager einen anderen Teenager gefragt:

„Wer ist eigentlich dieser Random House?“

Na, aber das muss ein Fachbesucher doch wissen:
Random ist der verschollene, verkommene Bruder von Dr. Gregory House.

In Halle 4.0 besuchte ich Herbert Paulerberg an seinem Dekorationsstand. Er hat seine Drohung wahrgemacht und präsentiert Blitzdekorationen in fünf Minuten. Jeder, der länger als eine Sekunde stehen bleibt und zusieht, wird sofort fotografiert und bekommt eine Teilnahmeurkunde hinterher geworfen.

So ist es fein, Herr Paulerberg.

Allerdings ist lobenswert, dass an Paulerbergs Stand der BuchMarkt ausliegt. Sein Kampf gegen den „kleinzieselierten Scheiß“, wie Paulerberg das Überladene gerne nennt, geht weiter.

Anne v. Bestenbostel vom Arbeitskreis kleinerer Sortimente sitzt im Kreis und arbeitet. Sie schlägt vor, dass wir uns ja später mal sprechen können. „Später“ kann eigentlich ganz grundsätzlich als die ultimative Messe-Uhrzeit bezeichnet werden.

Zum Beispiel warte ich bei Kösel 20 Minuten auf Tiki Küstenmacher, aber er kam leider nicht. Wir vertagten das zwar halbverbindlich auf den Nachmittag, aber da kam ich nicht.

Für heute war die Pressekonferenz mit Dieter Bohlen auf dem Programm. Der Konferenzraum war viel zu klein für die vielen Reporter und Fernsehkameras. Da ich zu spät kam, konnte ich mir einen flexiblen Stehplatz suchen; das ist bei Pressekonferenzen oft sinnvoller als ein Sitzplatz.

es gab auch ein Getränkebuffet!

Bohlen stellte sein neuestes Buch vor, „Der Bohlen-Weg“, erschienen bei Heyne. Er erzählt darin von Arbeit, Haltung, Fleiß und anderen unpopulären Themen, und er betont stolz, dass er es diesmal selbst geschrieben habe.
Herr Bohlen lobt Schulpraktika, predigt Köpfchen und Ausdauer und rät, nicht aus allem ein Drama zu machen. Damit meint er Reich-Ranicki.

Ein Journalist fragt glücklicherweise danach, ob Dieter Bohlen auch vor Bushidos Leistung Respekt habe, gerade jetzt, wo er mit seinem Bestseller und seinem Engagement für die Jugend gefeiert wird.

Bohlens Antwort:

„Also, Du machst einen Marathonlauf, und nach zwei Kilometern zieht da einer an Dir vorbei. Das ist nicht entscheidend. Und wenn der da bei zwei Kilometern angekommen ist und die Arme hochreißt und jubelt und schreit „Yeah, so müsst Ihr das machen!“, dann interessiert mich das nicht.
Wenn aber so ein Typ wie Bushido sich für 200.000 Euro Diamanten umhängt und mit einem Stundenlohn von 80.000 Euro prahlt, dann hat der das vielleicht einmal in seinem Leben gemacht und schreibt dann ein Buch drüber, dann ist das nur Sülze. Der lebt doch einen Traum, und das ist für die Jugendlichen ganz, ganz gefährlich.“

Lebenshilfe in letzter Minute

Hier muss ich nichts draufsetzen, mehr muss ich nicht hören. Und ich fühle mich bestens eingestimmt für Bushidos Pressekonferenz am Samstag.

Zufrieden packe ich mein Diktiergerät ein und empfehle mich.

Nur eines noch, Heyne-Verlag: Sogenannte Bohlen sind ja eine Art Schnittholz. Ob bei der Titelgebung des Buches mal jemand an diese Analogie zum Holzweg gedacht hat?

Apropos Holzweg – während ich all dies niederschreibe, strahlt das ZDF das Gespräch zwischen Thomas Gottschalk und Marcel Reich-Ranicki aus. Es war nicht sehr ergiebig, fand ich; und Gottschalk ist nicht wirklich ein Mediator zwischen Ranickis Sturheit und der Schlechtigkeit des Fernsehens. Gottschalk erlag dem Irrtum, dass sich Probleme einfach abmoderieren lassen können; und Gottschalk kann auch nicht wirklich glaubhaft machen, dass man Shakespeare heute nicht mehr zeigen könne.

Allerdings war es wiederum witzig, wie Gottschalk sagte: „Wenn Du über das Fernsehen weinst, dann kannst Du dich erschießen, wenn Du mal ins Internet kuckst.“

Wie muss ich mir das vorstellen? Reich-Ranicki sitzt im Sessel und hat den Laptop auf der Brust stehen und sagt Sachen wie „Du liebe Güte, dießer Prrrrrowßer ißt schrecklich. “

Übers Internet solltet Ihr beiden Euch vielleicht mal mit Paolo Coelho unterhalten.

Fertig mit einem TV-Interview bei Piper kommt gerade Lars Niedereichholz vom Stand, besser bekannt als Hälfte des Kanak Sprak Duos Mundstuhl. Erst beim zweiten Drübernachdenken bemerke ich, dass das ja durchaus ebenfalls als Beitrag zum Gastland Türkei funktionieren kann.

Ja, wohin nur immer mit den Händen.
Das geht mir immer genau so.

Bei Collection Rolf Heyne ist der bayerisch-türkische Sternekoch Ali Güngörmüs zu Gast. Der Edelverlag hat ein wie immer hochwertiges Autorenkochbuch herausgebracht, ein kulinarisches Coffee Table Book, das Güngörmüs heute selbst zum ersten mal in der Hand hat. Das Timing zur Buchmesse war beabsichtigt. (Ich erwähne es deshalb weil z.B. Ismail Boro am Mittwoch keine Ahnung hatte, dass sein Buch zu einer Ehrengast-Türkei-Messe erscheinen würde.) Güngörmüs ist sehr glücklich und stolz, es sei genau so geworden, wie er es sich gewünscht habe.

Verlegerin Anja Heyne mit Güngörmüs

Güngörmüs schaut ebenfalls gerne Kochsendungen. Ich plaudere mit ihm über Lafer. (Ich stelle fest, dass ich mit jedem Koch über Lafer plaudere.) Aber der Kontakt zum Restaurant und den Gästen ist Güngörmüs wichtiger als eine eigene Kochsendung.

Güngörmüs erzählt mir von einem 24-Euro-Döner de Luxe, obwohl er bedauert, dass die türkische Küche immer wieder auf den Döner reduziert wird.

Also jetzt hätte ich echt langsam Appetit auf einen.

Was ich immer schon mal wissen wollte: Wer kriegt eigentlich den Stern – der Koch oder das Restaurant? Die Antwort fällt komplizierter aus, als ich erwartet hatte, aber im Grunde ist es so: Das Restaurant bekommt den Stern, aber der Koch darf damit prahlen.

Beim Birkhäuser-Verlag wurde ein Altersanzug vorgestellt, der für seinen Träger alle Gebrechen des Alters simuliert. Autor Oliver Herwig schildert in seinem Buch „Universal Design“ u.a. seine Erlebnisse mit diesem Anzug. Im Design zwischen High Tech und Vereinfachung zu optimieren sei das Ziel einer alternden Gesellschaft.

Gebaut hat diesen gimmickreichen Overall Dr. Roland Schoeffel von der SD&C GmbH, und er vermietet ihn an Pflegeseminare genau so wie an Produktentwickler.

Und dreimal dürfen Sie raten, wer die arme Sau war, die ihn getragen hat.

Ich bekam eine dioptrinsteigernde Taucherbrille mit Gelbstich, damit ich ein verengtes, verschwommenes, vergilbtes Gesichtsfeld habe.

Ich bekam Handschuhe, damit ich beim Kleingeldsuchen alle aufhalte.

Ich bekam Ohrenschützer, damit ich wie durch Watte höre.

Ich bekam mehrere Kilo Blei am Körper verteilt, damit ich schwerfällig wurde.

Ich bekam Manschetten an Arme, Beine und um den Nacken, damit meine Bewegungen steif wurden.

Und dann sollte ich mich in einen Campingstuhl setzen und meine Schuhe anziehen und zubinden.

Das war eine furchtbare, ungelenke Erfahrung. Ich hatte ja keine Ahnung, dass alte Leute sich wirklich fühlen wie Neil Armstrong.

Oliver Herwig, Sir Earnest Shackleton und Dr. Roland Schoffel

Abends hatte ich eine Audienz bei der frisch gekrönten Deutschen Weinkönigin! Der Societätsverlag hat nämlich ein schönes Kompendium über Deutschlands Weinköniginnen herausgebracht, das von der aktuellen Regentin, Ihrer Majestät Marlies Dumbsky auf der Buchmesse vertreten wird.

Genau wie die Buchbranche ist auch die Weinbranche eine große Familie. Hat ja auch beides was mit Lesen zu tun.

Was Weinköniginnen alles so ehrenamtlich tun, wie sie gewählt werden und warum, das weiß ja sicher jeder. Nur ich musste mir z.B. endlich mal erklären lassen, dass Weinkönigin ein Fulltimejob ist. Oder dass man den Titel für immer behalten darf. Nur auf die Krone ist Pfand, die muss nach einem Jahr wieder zurückgegeben werden.

Ihre Majestät liest sehr gerne historische Romane, Fantasy und Krimis.

Nicht nur Wein-, sondern auch Lächelkönigin

Auf dem Weg zum nächsten Termin laufe ich Peter Hetzel vom SAT.1-Frühstücksfernsehen zum dritten mal über den Weg. Oder zum tausendsten mal, keine Ahnung, ich habe echt andere Dinge zu tun, als bis drei zu zählen.

Peter M. Hetzel und
sein transportabler Kameramann

Jedenfalls sind wir beide fest davon überzeugt, dass der jeweils andere einen auszugeben habe. Dabei herrscht ohnehin tiefstes Misstrauen zwischen uns, weil der eine ständig sein Notizbuch parat hat und der andere ständig seinen Kameramann.

Heute hatte ich die Ehre, bei Diogenes mit Urs Widmer sprechen zu können. Ich berichte ihm, dass er mir als Ersatz für Coelho angeboten wurde. Das amüsiert ihn sehr, vor allem, weil er mir ansieht, dass ich froh darüber bin. Ich habe noch nicht einen einzigen Coelho gelesen, aber bin ein treuer Leser von Urs Widmer. Treu heißt, dass ich vier Bücher von ihm habe, die immer wieder gerne lese.

Autor von vieren meiner Lieblingsbücher

Ich frage ihn, ob sich das neueste Buch immer wie das beste anfühlt, und das bejaht er im Gegensatz zu Wolfgang Hohlbein. Ich frage vorsichtig, ob er denn mit Dürrenmatt oder Beckett verglichen werde, und er bejaht das nicht, (obwohl es stimmt), aber es würde ihn sehr ehren.

Ob seine Werke Utopien seien oder nicht oder halb, das will er gar nicht beurteilen müssen. Ihm ist es recht, wenn andere ihn in durchaus berechtigte Schubladen stecken. Zum roten Faden in seinem Werk sagt er, dass es den gebe, aber da müsse er auch erst einmal in einem Literaturführer nachlesen. Widmer steht in sehr losem Kontakt zu seinem Werk, scheint mir, und das ist sehr unprätentiös und sympathisch.

Aber er gibt zu, dass seine Theaterstücke etwas aggressiver sind als seine Prosa oder seine Gedichte. Wahrscheinlich gefallen sie mir deshalb besser. Das ist das Stichwort, ihm meine Top Dogs Ausgabe vom Verlag der Autoren zur Signatur vorzulegen.

Hoffentlich guckt grad niemand von Diogenes.

Ich vergleiche Top Dogs mehr nebenbei als abschließend mit David Mamets Glengarry Glen Ross, und da wird Widmer hellhörig, denn er kennt es noch nicht und lässt es sich von mir notieren.

Heute war also der Tag, an dem ich Urs Widmer einen Literaturtipp geben konnte.

Und morgen ist der Tag, an dem der Pulk kommt. Der unglaubliche Pulk.

PULK habe ich gesagt.

Aber wir haben diese Messe bis jetzt prima gemeistert; Sie müssen mich nur weiterhin bei Laune halten. Als ich heute einen Kontrollbesuch bei Edition XXL machte, bekam ich z.B. sofort unaufgefordert eine heiße Odenwälder Rindswurst mit Senf und Brot hingestellt.

Und wie ja das alte türkische Sprichwort überzeugender als alles andere sagt:

„Fürchte nicht die Arbeit, die Arbeit soll dich fürchten.“

Ich wünsche uns allen ein schönes gemeinsames Wochenende.

Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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