LIEBE FREUNDE,
willkommen zur 66. Frankfurter Buchmesse 2014 in Finnfurt am Main! Und zehn Jahre Messe-Mayer übrigens! Das ging jetzt aber wirklich sehr schnell.
Aber nicht nur ich trete allmählich in meinen Herbst. Am gestrigen Dienstag der Presseeröffnung herrschte ein Herbstwetter, das einem so richtig Lust auf Sauna macht.
Die Eröffnungskonferenz fand wieder im Raum Harmonie im Congress Center statt. Das ist wohl der allersuggestivste Raumname auf der ganzen Messe. Ich vermisse noch die Räume „Zahlenhuberei“, „Status Quo“ und „Wichtigtu“.
Wir haben einen neuen Verbandsvorsitzenden: Mit Osiander-Geschäftsführer Heinrich Riethmüller sitzt nun ein Buchhändler auf Dr. Honnefelders altem Stuhl. Honnefelder hatte mehr diese Doyen-Nummer drauf, während Riethmüller eher etwas sympathisch Zurückhaltendes an sich hat. Der Martin Freeman unter den Verbandsvorsitzenden. Er hat einen ordentlichen Aufsatz vorbereitet, der tatsächlich etliches Neues und Interessantes enthielt, falls Sie bis gestern auf dem Mars waren.
Dagegen hat unser Messedirektor Juegen Boos natürlich wesentlich mehr Übung darin, jährlich neu zu klingen. Zum ersten Mal hebt er auch hervor, dass diese Messe nicht nur kulturell und wichtig sei, sondern auch ihre trashigen und ironischen Seiten habe.
Als letzter sprach Michel Magnier, kreativ-europäischer Kulturkomissionsdirektor, der die Parallelen zwischen dem Staatenbund Europa und der Branche Buch herausarbeitete. Ich dachte ja, er meint die Fähigkeit, sich wegen jeder Lappalie ewig in die Haare zu kriegen, aber er sprach dann eher von einer Kultur der Toleranz und des Nebeneinanders. (Außer Amazon.)
Lustig war auch, dass wir Amazon jetzt nur noch „den Algorithmus“ nennen.
Die abschließende Fragerunde hatte ihre Highlights. Eine piepsende Kollegin aus Mexico meldete sich, sie wolle auch gerne mal Gastland sein. Boos hat ihr gleich einen Packen Verträge für 2019 mitgegeben, und dann begehrte die iranische Presse auf, wann sie denn mal dran seien. Es herrscht also großes Interesse an der Messe.
Das finnische Fernsehen wollte in Anlehnung ans Messemotto („Finnland. Cool.“) wissen, wie cool die Zusammenarbeit mit den Finnen denn gewesen sei. Boos antwortete sehr cool „sehr cool“, und das fand ich tatsächlich sehr cool.
Ein ganz alberner Helge war ja der liebe Kollege vom Handelsblatt. Der stellte ein Paket aus einem Dutzend Fragen auf einen Sitz, deren Antworten man alle gefälligst selber googeln kann. Boos parierte aber sehr gut und bot dem Manne ein statistisches Nachschlagewerk an.
Insgesamt aber war die Pressekonferenz ein voller Erfolg: Wir sind uns alle im Amazonbashing einig, auch wenn der werte Kollege auf dieser Messe hier ebenfalls drei Stände hat. Na, die werde ich mal besuchen.
Die schönste mitnotierte Floskel lautet: Der Buchhandel verfüge über ein „intuitives Erkennen von Relevanz“. Das gefällt mir. Ich werde es gelegentlich klauen.
Insgesamt wird es auch bei rückläufigen Ausstellerzahlen wieder eine Rekordmesse mit über 4000 Veranstaltungen, allein 3000 davon bereits am Mittwoch vor 11.00 Uhr.
DER FINNISCHE PAVILLON
ist leider nicht fertig geworden, schade. Oh, nein, halt, das sieht nur so aus, weil er so angenehm firlefanzlos ist.
Das kommt sicher daher, dass die Pavillons der letzten Jahre unbotmäßig überladen waren. Das wird Ihnen mit Finnland nicht so ergehen. Hier gibt es keinen Irrgarten aus Kinoleinwänden (Island 2011), keine expressiven Papierbauten (Brasilien 2013) und keine Regeninstallationen, die sich über exotische Eingeborene ergießen (Neuseeland 2012 und Österreich 1995).
Hier gibt es einen Tisch mit Papier und Bleistift.
Hier sehen Sie mich, wie ich niederknie vor der Aufgabe, aus diesem Pavillon Motive herauszuholen. Es handelt sich übrigens um die Abschlussarbeit dreier finnischer Architekturstudenten.
Und so zeigt sich in der ruhenden, klaren Gestaltung des Pavillon-Auftrittes die finnische Coolness ebenso wie im kargen Motto „Finnland. Cool.“ Selbst die Presse-Auftritte, die von den Gästen der Vorjahre immer auf großer Bühne inszeniert und ausgeleuchtet wurden, sind bei den Finnen eher so nebenher:
Als ich dann aus einer der Installationen ein entferntes Pling vernahm, das sich wiederholte und variierte und eindeutig einem Klavier zuzuordnen war, dachte ich: „Interessant, so hört sich dann also finnische Musik an.“
Dieses Projekt hier ist allerdings sehr interessant: Brain Poetry heißt, dass Sie ein Gerät aufsetzen, das Ihre Hirnströme misst und Ihnen dann ein Gedicht aussucht, das zu Ihrer Murmel passt.
Und dann können Sie sich das auf Thermopapier ausrucken lassen:
Und wenn Sie Glück haben, enthält Ihr Gedicht sogar finnische Sonderzeichenprobleme.
Eine weitere Station waren diese Viecher hier, die allesamt aus der finnischen Kinderliteratur stammen. Oder aus der finnischen Kinder-Ecke. Oder beides. Gefallen mir in ihrer Ganz-und-gar-nicht-Coolheit sehr gut.
Doch, das ist schon ein schöner Pavillon. Zuerst war ich ja etwas ernüchtert, aber dann habe ich gelernt, dass das beabsichtigt war.
MEIN GANG DURCH DIE HALLEN
(Der Offensivforst könnte allerdings auch etwas mit dem Frankfurter PR-Maßnahmenkatalog Green City zu tun haben.)
Der erste Prominente, auf den ich dieses Jahr treffe, ist Michael Krüger! Nur um Spaß zu haben, gibt sich der einstige Hanserkapitän genau wie ich als journalistisches Element aus!
Auch dieses Jahr möchte ich wieder den besten Messekaffee küren. Das ist mein Trick, um auf viele Kaffees eingeladen zu werden. Nachdem ich mit dem Kaffee bei GABAL 2007 nicht einverstanden war, hat der Betrieb nun dieses Jahr extra ein paar Mitarbeiter entlassen, um sich eine De’Longi-Kaffeemaschine leisten zu können. De’Longi.
Doch, der Apostroph kommt genau da hin.
Ebenfalls sehen werden wir diese Woche, wie sich der Wegfall des Comic-Zentrums auswirkt. Jawohl, es gibt in Frankfurt kein Comiczentrum mehr. Gleichwohl es noch Comics gibt. Ist zumindest auf diesem Wegwürfel so angekündigt.
Weil der Comic immer mehr in die literarischen, belletristischen oder in die Kunst-Verlage abwandert, will man die bleibende Comicleserschaft dennoch mit Ausstellern und Angeboten interessieren. Der Comic sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. (Ich würde ja eher sagen, da handelt es sich bei der Messeleitung um ein intuitives Erkennen von Relevanz.) Bin gespannt. CosPlayer kommen am Sonntag trotzdem und nach wie vor. (Also wieder Öhrchen einpacken, ich.)
Hingegen beim Auspacken treffe ich Angelika Siebrands und Julian Müller von der ebuch-Genossenschaft. Ich hätte ja gerne geholfen, wenn es nicht so viel gewesen wäre.
Mein Müllfoto des Tages ist diese wunderbar fahrlässig und monströs aufgetürmte Kistenburg. Ein Paradies für streunende Taunuskinder.
Das Kind in mir konnte zwar an sich halten, nicht sofort loszuklettern, aber nur im Austausch gegen ein anderes Privileg: Ich durfte nämlich mal in den Ü-Wagen vom ZDF! Da sieht es aus wie beim FBI!
In Halle 4.0 finden sich viele Dienstleister und Software-Anbieter. Dieses Mal zum Beispiel stelle ich das Softwarehaus BookHit aus Drensteinfurt vor.
Das muss genügen.
Ein Stockwerk höher, in 4.1, befinden sich die Kunstverlage, so auch der renommierte Verlag Hermann Schmidt Mainz. Da bekomme ich mein erstes Geschenk des Tages:
Und wen sehen wir in Halle 3.0 herumstehen? Den Grüffelo!
Oh, und apropos wenig arbeiten: Die Frankfurter Buchmesse hat nun einen Business Club! Das ist was ganz was Feines. Vor Halle 4.0 gibt es einen hässlichen Galeriegang, der hat in etwa den Charme einer Transithalle am Flughafen. Und diesen Gang hat man nun in eine exklusive, mahagonig-elegante Edel-Lounge umgezwittert. Die ist so edel, dass das Heftchen dazu in Goldmattschwarz gedruckt ist.
Aber: Immerhin habe ich zwei schön doofe Aufkleber bekommen, die mich als neu erfundene Zielgruppe sauber einwickeln.
Ja, diese Messe ist schon wunderlich. Wunderlich ist auch dieser Rudolf hier, denn es handelt sich um niemand geringeren als Rudolf Wunderlich, den Kundenserviceleiter von SVK! Er hielt mir die Türe auf, und zack, Auftritt im Messe-Mayer. Da sage einer, mit Höflichkeit kommt man nicht weiter.
Auf der Agora (hessisch: uffem Blatz) gibt es einiges Neues, aber das Wetter war so bäh, dass ich Ihnen das an einem anderen Tag präsentiere. Wie zum Beispiel das neue Lesezelt!
Oh, und schauen Sie nur, der Samsung-Verlag hat hier auch einen Stand!
Was gibt es in der Gourmet Gallery in Halle 3.1? Dort treffe ich zum Beispiel Barbara Stadler von der Buchmesse und Holger Ehling (schon wieder, siehe Pavillon, hoho).
In 3.1 treffe ich auch den Mr. Spock der Messe-Essens-Verteilung, Matthias Seuring, wie er gerade auf dem Sprung ist.
Sein gewagter Vorstoß in die finnische Küche kam – zumindest als spirituose Vorwegnahme – nicht ganz cool an.
In den geheimen Messebüros habe ich auch eine Liege entdeckt, aber ich weiß nicht, ob das jetzt eher mit Schwangerschaft oder mit Ausnüchterung zu tun hat.
In der Gourmet Gallery erhalte ich von der wunderbaren Maren Ongsiek mein zweites Messegeschenk des Tages: Meine Messe-Tasse! Yeah!
Innerlich hüpfe ich tatsächlich vor Freude, aber äußerlich überlasse ich das lieber den Fachfrauen: Frau Ongsiek (links) hüpft hier grad selber, weil sie Anica Jonas (rechts) vom Dörlemann-Verlag trifft.
ALTBIER-ANSTICH BEIM BUCHMARKT
Nun, endlich! Wie jedes Jahr endet mein kleiner Ausflug über die Messe vor der Messe mit eben diesem Altbiere.
Wir sehen uns am Auftakt-Mittwoch, ich freu mich schon.
Alle Daheimgebliebenen grüße ich. Sie sollen nicht denken, hier wäre nur Halli Galli. Nein, wir haben es hier sehr, sehr hart.
Hezlichst,
Ihr und Euer
Matthias Mayer
Orte, die auf gar keinen Fall zu Skandinavien gehören, Teil 1 von 6: