Der Messe-Mayer Tag 4 von 5: Steuerbelege einreichen

Wie sieht es nun aus in Halle 1?

Liebe Freunde,

Was für ein Samstag. Halle 1 brachte nicht wirklich Entlastung, und es kam wie immer zum Röhrenkollaps. Das Hallenpersonal ist ja routiniert im Deeskalieren und Ventilieren der Besucherströme. Wie Verkehrspolizisten haben die die Gästemassen geampelt, aber trotzdem habe ich von einer geraden in eine ungerade Halle bis zu 30 Minuten gebraucht.

Klaustrophobikerdesensibilisierungsflashmob
Hier löst es sich grad auf
Hier hat man endlich mal Luft.
…und gute Sicht auf die CosPlayer.

Ich will Ihnen noch keins von den ausgefallenen Kostümen zeigen, denn meine CosPlay-Präsentation hebe ich mir ja immer für Sonntag auf. Aber ich wollte nicht den Start ins Wochenende in Halle 1 versäumen!

Obwohl diese Halle nun kein grundlegend anderes Bild bietet.

Im geräumigen Workshop-Bereich wurde heute das Thema „Thermoplastik“ vorgestellt, ein elementarer Bestandteil einer Spiel- und Nerdkultur, die sich der Nachbildung von Requisiten, Rüstungen und Prothesen widmet.

Das war tatsächlich eine natürliche Pose.
Ich erkenne die TARDIS und Hannibal Lectors Maske und irgendetwas elbisches

Die solchermaßen ausgearbeiteten Objekte halten eingehenden Belastungsproben stand, wie in diesem zaghaften Flirtversuch dokumentiert.

Und damit meine ich ihn, nicht sie.

Diese Tribüne hatte ich am Mittwoch noch leer bewundert, falls Sie sich erinnern. Oder falls nicht:

Hoffentlich setzen die sich auch alle hin

Und so sah sie heute aus, wenn auch aus Sicherheitsgründen aus anderer Perspektive.

Aber Frankfurt hat die CosPlay-Meisterschaften.

Mein Rundgang durch die Hallen

Diane Kopp vom Gmeiner-Verlag, dem Fachhaus für Krimis in der Region, beschenkt mich mit einer kleinen Gagikatesse: Zum Landwirtschaftskrimi passend bekomme ich drei der Schaumzucker-Spiegeleier, von denen es nur noch wenige gibt und die sowohl unter Sammlern als auch Feinschmeckern mittlerweile begehrt sind. Die schenke ich meinem Sohn!

Falls mein halbjährliches Bounty von [Edition Ruprecht] so lange vorhält.

Und neue Bekanntschaften habe ich geschlossen! Martina Komm vom Carl-Auer-Systeme-Verlag! Wir haben uns im Freien kennengelernt, obwohl es so windig war.

Ab welcher Windstärke werden Fotos mit Frauen unhöflich?

Und hier konnte man sich beim Nachtschatten-Verlag karikieren lassen! Sowas liebe ich ja. Ich kann immer nicht fassen, was ich für ein doofes Gesicht habe.

„Mami, guck mal, da wird man mit Ohren gemalt!“

Beachten Sie bitte auch den H.R.Giger-Stuhl im Hintergrund.

Am Nachbarstand profitiert man von dem Rummel, während der initiale Verlag im Hintergrund etwas verloren geht. Daher hier noch einmal ausdrücklich:

Der Spiegelberg-Verlag mit seinem komischen Drachenbuch hat NICHT den Karikaturisten da hingesetzt…
…sondern der zurückhaltende Nachtschatten-Verlag!

Hierbei habe ich auch den lieben Kollegen Michael Geißler von Suhrkamp getroffen, wie er mich gerade trifft. Also gut, er hat mich getroffen, während ich hilflos da saß.

Aber er war mir beim Fotografieren behilflich.

Oh, und Sie wollen natürlich das Kunstwerk sehen:

Immer noch hübscher als ein Möbel von H.R. Giger

Beim Titus-Verlag bekommt man ein papiernes Indianerfederband umgehängt!

Als würde ich mit den Ohren nicht schon bescheuert genug aussehen.
Zum Glück gibt es immer noch einen, der das toppen kann.

Ich danke KBV-Verleger Ralf Kramp wie immer für seinen Einsatz. Ich spüre leider, dass wir Brüder im Geiste sein müssen. Und sehen Sie nur: Ralf Kramp ist plötzlich genau so groß wie Bodo Horn-Rumold!

Zum Glück taucht Klaus Kluge von Bastei Lübbe auf, um Niveau und dezentes Benehmen wieder auf Normallevel zu bringen.

Guck, wie seriös der Kramp dann gleich wieder tut

Mein Mittagessen in der Zone Frankfurt

…war natürlich wieder lecker:

Karotte-Ingwer-Süppchen: klassisch am Samstag.

Und es fand allerdings auch in bester Gesellschaft statt:

Das Rat Pack der Buchmesse

Von links: Maren Ongsiek (Ffmmesse), Tom van Endert (& Vannerdat), Luise Schitteck von readbox und Johannes Monse (Monsenstein &).

Das hier wäre noch viel schöner geworden, aber es ist leider nicht so schön geworden.

Ich poste es trotzdem, weil die Denkerposen so hübsch sind.

Während des Essens verwickle ich mich mit dem gebürtigen Arzt Johannes Monse in die Theorie, Krebs zu verhindern, indem man den Herzinfarkt ansteuert. Dann sei eine gesunde Suppe aber kontraindikativ, notiere ich mir Monses Eiwand eifrig, der mir daraufhin einige Gramm Messesalz vertickt. Gut für den Bluthochdruck. Ich mag alt sein, aber Kugeln können mir nichts anhaben.

Ah, da steht´s ja auch.

Ich verlasse den Stand, nicht ohne weiterhin meinen teuflischen Pakt zu erfüllen:

Das gibt bestimmt Ärger.

Wir werden bestimmt noch Ärger kriegen, BLV. Also Ihr. Ich war das ja nicht. Ich habe mehrere kontraindikative Zeugen.

Das nächste Interview

habe ich mit Jens Westerbeck, dessen Fuck- & Cash-Roman Boat People seinen Einstieg in die Schriftstellerei begründete. Heute stellt er sein satirisches Steuer-ABC vor: Herrn Westerbecks Belege, erschienen bei Heyne Hardcore. Ich sprach mit dem sympathischen Hyperaktiven am Stand von Random House.

Jens Westerbeck: Ich war letzte Woche bei Lanz, und weil auch ein Politiker zu Gast war, konnte ich mal alles anbringen, was mir zum Steuersystem einfällt. Nach der Sendung habe ich 86 E-Mails bekommen. Das war der beste E-mail-Eingang meines Lebens. Eine Mail war von den Freien Demokraten, die mir eine Führungsposition mit Listenplatzgarantie angeboten haben. Die zweitbeste Mail lautete: „Hallo, Herr Westerbeck, ich habe kein Wort verstanden. Von welcher Marke war Ihre Brille?“ Die drittlustigste ging so: „Ich schaue normalerweise kein Fernsehen, aber Sie hatten sehr schöne Socken an.“

BuchMarkt: Aber ich habe doch noch gar keine Frage gestellt. Und Sie sprechen sehr schnell, das wird eine Menge abzutippen.

Aber dafür spreche ich Ihnen druckfertige Sätze da rein! (Anm.: Aber dermaßen sowas von nicht!)

Wie sind Sie in die Reihe Heyne Hardcore gelangt? Da trifft man ja eher Sex, Drugs & Violence.

Das lag an meinem Debut „Boat People“. Heyne hatte damals die Taschenbuchrechte für die Hardcore-Reihe erworben, und da bin ich auf ein junges, tolles, motiviertes Team getroffen, frei von Ideen, und wie dann dieses – Moment, habe ich gerade „frei von Ideen“ gesagt? Ich meinte natürlich voll von Ideen.]

Ja, aber ich werde es natürlich korrigieren und redigieren. (Anm.: war gelogen.)

Nun, dieses Buch ist folgendermaßen zustande gekommen: Ich saß seinerzeit mit meinem Lektor im Münchner Biergarten und war anderthalb Jahre in Verzug mit meinem aktuellen Roman. Als die Rechnung kam, belief sie sich nur für dieses Gespräch auf vier, fünf Maß für jeden von uns. In einem Moment der Stille sagte ich: „Weißt Du eigentlich, dass ich mal einen Bewirtungsbeleg hatte, auf dem 41 kleine Weizen, drei Wodka und ein Schokotörtchen darufstanden?“

Das Schokotörtchen war sicher Legende.

Nein, Und ich habe diesen Beleg auch tatsächlich absetzen können. Und als die Bedienung dann unsere Quittung ausstellt, kam mir diese Idee. Diese ganze Belegesammelei! Ich bin ja seit 15 Jahren Unternehmer. Kein Verlag der Welt hätte daraus ein Buch gemacht, aber nach ein paar Maß Bier haben wir den Buchtitel besprochen, entwickelt und als Idee festgemacht.

Man erwartet bei Ihrem Buch erst mal Comedy, aber man merkt dann rasch, dass Sie sehr genau wissen, worüber sie da schreiben.

Ich bin gelernter Unternehmer und komme aus einer Kaufmannsfamilie. Ich wollte das beides nicht unter den Schatten der Gaglastigkeit stellen. Also weniger Mario Barth und mehr Dieter Nuhr. Das Buch ist also lustig, aber es enthält seine Wahrheiten.

Lernt man eine Sache nicht erst richtig lieben, wenn man sich mit ihr beschäftigt?

Och, ich musste das gar nicht lieben lernen. Was Belege abheften angeht, hatte ich noch nie einen großen Überdruss. Ich hab’s von der Pike auf gelernt, ich bin so konditioniert und habe seit meiner Ausbildung noch nie anders abgerechnet. Ich bin es also gewohnt, mich gegenüber Finanzämtern selbständig zu erklären. Und das sind ja nicht nur Quittungen, sondern Mietnebenkosten, ADAC-Beitrag, Handyabrechnung, Zahnzusatzversicherung und so weiter. Ich habe diesen ganzen fiskalischen Niederschlag als eine Reise für mich entdeckt. Ich gehe das dann durch und schwelge in Erinnerungen. Zum Beispiel heute: Die Zugfahrt, mein Hotelzimmer, Taxiquittung und der Eintritt zur Messe. Wenn ich das dann in zwei Jahren in irgendwelche T-Konten eintrage, dann erinnere ich mich an einen wunderschönen Samstag auf der Buchmesse, wo ich mit dem Kollegen vom BuchMarkt dieses schöne Interview hatte.

Belegpflicht ist bei Ihnen also eine Art amtliches Zwangs-Scrapbook?

Genau. Mein Tagebuch. Andere schreiben’s abends auf – ich hefte es ab.

Hätten Sie Verbesserungen zum Steuersystem?

Macht es einfacher. Dieser Bierdeckel, der mal im Gespräch war. 25 % für alle, keine Ausnahmen, fertig. Vom ersten Euro bis zur letzten Million. 25 % für alle, und wir kämen gut damit klar.

Haben Sie einen Steuerberater?

Eine Steuerberaterin. Als ich mich selbständig gemacht habe vor 15 Jahren, waren das meine ersten beiden Schritte: Gewerbeschein beim Ordnungsamt holen, als zweites eine Steuerberaterin engagieren. Ich mag sie, weil sie mir jedes Jahr beim Jahresabschluss sagt, ich hätte Geld verdient, es sei alles gut gelaufen. Komischerweise ist sie die einzige, die das behauptet. Meine Frau und selbst meine Bank sagen „Der hat doch nix.“

Kennt die das Buch?

Ja, sie hat es schon gelesen; es ist Ihr auch gewidmet. Sie ist ganz begeistert.

Sie machen ja ein paar ehefeindliche Witze gegen Ihre Frau, nach dem Motto „In einer steuerlich absetzbaren Arbeitswohnung muss ich meine Frau nicht so oft sehen.“ Weiß die das zu trennen?

Meine Frau hat es generell nicht einfach mit mir, aber nach 15 Jahren Ehe wird uns dieses Buch auch nicht auseinanderbringen. Der Saal für die Silberhochzeit ist auch schon gebucht; wir haben da also einen gewissen Ehrgeiz.

Melden Sie rüde Scherze an, damit sie vorbereitet ist?

Nein. Ich spreche nie mit meiner Frau über Sachen, die ich gerade schreibe, und auch mit sonst niemandem. Wenn man sich im Vorfeld entschuldigen will bei seinen Verwandten, dann ist man ja komplett blockiert. Davon muss man sich freimachen. Wenn ich meine, in dem Moment passt es, dann haue ich auch drauf. Da verliere ich lieber meine Frau als einen guten Gag.

Ich hatte gehofft, es läuft auf einen schönen Schlusssatz hinaus…

(lacht) Einen schöneren habe ich nicht.

Dann nehmen wir lieber „einen schöneren habe ich nicht.“

Gleich abheften, das Interview.

* * *

Zum Abschluss dieses feinen Samstages bekomme ich meine Ohren konfisziert, denn Margaret Atwood will sie tragen. Das ist ja noch besser als die Tante von Denis Scheck, die ich gestern traf.

He – meine Öhrchen! He, Frau Atwood!
Also gut, meinetwegen. Aber nur leihweise für das Foto!

Tja, da hat Margaret Atwood gewonnen wie ein Bro. Geschehen ist all dies beim Berlin-Verlag, und deshalb freue ich mich auch, dass ich fast auf den allerletzten Drücker dieser Leipzig-Saison Uta Niederstraßer noch begegnen darf.

So, wir haben es fast geschafft. Morgen kriegen Sie von mir noch die CosPlay-Kostüm Highlights und ein Interview mit einem Neurologen serviert.

Herzlichst,

Ihr
Matthias Mayer

Berühmte Autoren, aufgepeppt für Leipzig 2014, Teil 4 von 5:

Günter Grass

(…obwohl – da hätten wir ja diesmal auch Margaret Atwood nehmen können.)

herrmayer@hotmail.com
www.herrmayer.com

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