LIEBE FREUNDE,
am Freitag, dem letzten privaten Tag des Buchhandels, haben wir Leipzig gespielt und den Kids Friday ausgerufen! Obwohl ich persönlich ja denke, dass wir eigentlich den „Kids‘ Friday“ meinen, wo nicht gar den Freitag der Kinder.
Ich wollte noch einmal auf das Dach von Loewe hinauf, weil man da so eine tolle Aussicht hat.
Aber immerhin traf ich auf dem Dach von Loewe Marion Stollenwerk. Nicht weil sie auf Dächern herumlungert, sondern weil sie im Außendienst bei Loewe arbeitet und befugt ist, mir Dachbenutzung gegen Fototausch und Erwähnung im Messe-Mayer einzuräumen.
Hier ist das Foto, das ich versprach. Es befindet sich auf Frau Stollenwerks Bildtelefon.
Und wenn ich schon bei Loewe in fragwürdige Fron-Transaktionen verwickelt bin, dann soll es sich wenigstens noch gelohnt haben, zum Beispiel mit einem Foto von Autorin Ursula Poznanski.
KAFFEE BEI GABAL
Ich sehe, dass der Kids Day auch ohne mich klarkommt und flüchte ein Stockwerk höher. Mit Ihrem Stammplatz am Kopf von Gang D hat der GABAL-Fachverlag unter der Führung von Ursula Rosengart seit Jahren einen Premiumplatz, von wo aus sie die Welt per Schweinehundstoffpuppen und anderem Seminarzeugs retten lässt.
Leider hatte GABAL die Angewohnheit, miserablen Kaffee knapp unter der Bitumengrenze anzubieten, weshalb ich in den Jahren dazu überging, Frau Rosengarts Küche mit bitteren Flüchen zu überziehen.
Und es half: Man hieß mich wissen, dass es hier eine neue Kaffeemaschine gebe, ein Fabrikat vom Apostrophschänder De’Longi. Die will ich verkosten. Während ich warte, spiele ich mit dem Papp-Aufsteller des Grillstauners Timothy Ferris.
Aber hier kommt nun die Tasse der Wahrheit:
( * schlürf * )
(langes Schweigen)
Doch.
Ja.
Das ist ein guter Kaffee! Die Bohne – eine führende Supermarktmarke – war nicht die schlechteste, obwohl es da noch Spielraum gibt. Aber er hat Substanz und Kanten, ist trotzdem voll und rund und nicht etwa traurig und bitter. Und seine Crema ist mir eine anerkennende Unterlippe wert.
Willkommen zurück, GABAL.
SEBASTIAN DICKHAUT BEI SÜDWEST
Mit Sebastian Dickhaut haben wir einen Koch, der seit Jahren die Basics-Reihe bei Gräfe & Unzer beliefert und nun beim Südwest-Verlag den ersten Band einer neuen Idee präsentiert: In der Jetzt!-Reihe legt er den Auftaktband Gemüse vor.
BuchMarkt: Wie kam es zu dieser Reihe in einem anderen Verlag?
Dickhaut: Ich mache die Basics-Reihe bei GU weiterhin, aber ich hatte Lust, etwas Neues zu machen, und bei Südwest waren meine persönlichen Ideen willkommen.
„Jetzt! Gemüse“ ist eine Reihe?
Ja. Über Gemüse als Sammelthema waren wir uns schnell einig. Nicht rein vegetarisch, wohlgemerkt, aber nah dran am Menschen: Gemüse ist vielfältig, aktuell, gesund und günstig, Wochenmärkte sind beliebt. Und der Titel ging erst in Richtung „Probier’s mal“ aber mit „Jetzt!“ steckt mehr Verbindlichkeit dahinter.
Gibt es auch ein veganes Kochbuch von Ihnen?
Nein, dazu muss man – finde ich – selbst Veganer sein, um über diese sehr präzise und konsequente Küche ein souveränes Kochbuch zu machen. Das ist nicht nur eine Frage des Weglassens von nichtveganen Zutaten.
Ich habe gegoogelt. Wissen Sie, woher das Wort „Gemüse“ kommt?
Ja, das kommt aus dem Mittelalter. Das wurde alles immer zu Brei verkocht und war dann Mus, also ein Ge-Muos.
Das klingt furchtbar. Hat Gemüse daher seinen schlechten Ruf?
Nein, eher umgekehrt. Viele Kinder würden ihr Gemüse wahrscheinlich püriert und lecker abgeschmeckt vorziehen. Oh, und so schlecht war das gar nicht. So ein Wirsinggemuos, schön gestampft und mit Mehlschwitze zu einem Stück Rind – das ist was sehr leckeres.
Braucht man heute noch Kochbücher?
Natürlich. Man kann sich zwar alles einzeln herunterladen. Wegen eines Rezeptes für eine Lasagne muss ich kein ganzes Buch mehr kaufen. Aber man will eben gerade bei Kochbüchern doch mal ein ganzes Buch in der Hand halten und blättern.
Gestern sprach ich mit einer Philosophin über die Pornographisierung des Alltages und darüber, dass dieser Prozess der Anbetung und Fetischbildung auch vorm Kochen nicht Halt macht. Wie sehen Sie das?
Ja, es gibt schon sehr viele Köche mit sehr vielen Sendungen im Fernsehen, die sich längst nicht mehr nur um Rezepte drehen. Das ist medial schon alles sehr viel, aber schlimm finde ich das nicht unmittelbar. Das ist in erster Linie Werbung für die Lust zum Kochen, und man hat ja die Auswahl, was man sehen möchte. Ich habe allerdings auch den Standpunkt, dass man gar nicht so viel übers Essen reden und prahlen sollte. Es gibt Leute, die stehen morgens auf und wissen nicht, was sie heute essen sollen, und da müssen wir, die wir alles zum Essen haben, nicht auch noch so ein Aufhebens darum machen.
Ist Horst Lichter nun ein echter schlechter Koch?
Ach, ich glaube, wer in diesem Metier schlecht ist, der bleibt nicht. Der hält sich nicht. Lichter hat schon seine eigene urige Art, und natürlich ist seine Küche nicht so filigran wie die eines Johann Lafer, aber da ist auch viel Talent für Comedy und Inszenierung mit dabei.
Welche ist von den exotischen Küchen Ihr Liebling?
Japanisch.
Und wo sind Ihre Grenzen beim exotischen Essen?
Das ungewöhnlichste, das mir geschmeckt hat, waren lebende Raupen. Ich mag auch Austern sehr gerne, und das ging in die Richtung. Das schlimmste, das ich je gegessen habe, war roher Seeigel. Das ging ins Fäkale, das muss ich echt nie mehr haben.
Haben Sie ein kulinarisches Guilty Pleasure?
Ja, mal eine ganze Tafel Schokolade verputzen ist bei mir keine große Sache.
M I T T A G E S S E N
Wie jedes Jahr lässt mich accente-Executive Head Cook Officer Matthias Seuring die Gastlandküche kosten. Da hätten wir Kartoffel-Kohlrabi-Stampf, Rentier-Gulasch in dunkler Biersauce, Waldpilzkuchen und Wurzelsalat.
Und all das war vorzüglich. Der Salat brachte Sellerie, Möhre und rote Beete zusammen, der Kartoffelstampf war saftig, aber leicht, die Waldpilztarte war sehr markant und das Gulasch zerfiel auf der Zunge. Wer also verdammt noch mal zur Messe etwas anderes essen will als Pommes, der sei willkommen.
(Pommes sind natürlich auch geil.)
Beim Garten-, Koch- und Überraschungsverlag BLV wartete man noch darauf, dass ich die Hüftgold-Tarte kostete, um das neue Kochbuch zu pushen. Habe ich gestern zwar schon angelegentlich anderer Torte, aber heute haben wieder andere Damen Standdienst, so dass ich gerne zweimal aufwarte.
Teil des Deals ist, dass ich diese krasse PR-Tasche abbilde:
Und dafür kriege ich dieses hier:
Und das war wirklich eine satte Schokoladentarte, massig, herb und lecker. Sie finden das Rezept dazu in einem Buch namens „Hüftgold“, weil „Herzinfarkt“ einfach zu offensiv klingt.
MEIN GANG DURCH DIE HALLEN:
TOP TEN VOM FREITAG
1. Es gibt wieder das Daumenkino zum Selberfilmen bei Vorsicht, Buch! Die Campagne ist im deutschen Buchhandel belächelt bis umstritten, aber das Daumenkino ist wirklich klasse.
2. Köchin Sarah Wiener beim Fan-Selfie
(Das ist wahrscheinlich erfunden und gelogen.)
3. Der gONZo-Verlag aus Mainz verlegt Off-Road-, Beat- und White Trash Literatur vom Rande des gesellschaftlichen Tellers.
4. Diesen lieben Journalisten-Kollegen treffe ich jedes Jahr, und ums Verrecken merke ich mir seinen Namen nicht. Vielleicht kann ich es mit einem Auftritt im Messe-Mayer vergelten.
(Was machen Fotografen auf einer Leiter? Sie fotografieren am Kids Day Kindermassen und verstärken mit der Leiter den Effekt des Erwachsenenblickes.)
(Wow, wieder was gelernt.)
5. Im Hot Spot „Moderne junge Menschen verstehen die Welt“ hält natürlich auch Wortguru Sascha Lobo seine Vorträge.
6. Journalistenkollege Nicola Bardola interviewt Fantasy-Autorin Libba Bray, und zwar mit einem Ouija-Brett! Die charmante Frau beherrscht die amerikanische Klaviatur aus Brotverdiener-Dankbarkeit und Kontaktfreude aufs allersouveränste. Als sie sich die Frage wünschte „Libba, why are you such a supervixen?“, sprang ich abschließend gerne ein.
Spielen die hier Ouija, ich fasse es nicht.
7. Wilhelm Genazino im Interview, als ich gerade vorbeirenne, weil ich einen Termin nicht verpassen will.
8. Im finnischen Pavillon lockten mich kehlige Urschreie und unheimliche Nymphengesänge herbei. Und tatsächlich war es eine Darbietung finnischer Poesie.
(Als könnte ich das je während einer Buchmesse.)
9. Bester Blick bei unangekündigter Spontanfotografie in der Öffentlichkeit: Friedrich Ani.
Wahrscheinlich musste er gerade mit dem Ouija-Brett vom Kollegen Bardola (rechts) spielen.
10. Aus welchem kreativen Alptraum diese vorbereitende Situation herrührt, will ich gar nicht wissen. Welche Aussage muss das sein, die nur von drei roten Trikotmädchen mit Plastikfrisur und einem Mann mit Post-Schulranzen transportiert werden kann?
So, und der Rest des Tages war Alkohol. Wenn das so weitergeht, bin ich ja vielleicht doch bald ein richtiger Journalist.
Aber der Reihe nach.
L O N K E R O
Wenn sich die Finnen Wodka in ihre Grapefruit-Limonade kippen, dann nennen sie das einen Lonkero. Das geht beim Finnen schon als Longdrink durch. Das lässt sich Vielflieger Felix Busse nicht zweimal sagen und fährt zum Finnland-Freitag Lachshäppchen und Palettenweise Lonkero auf.
Nach allem, was ich höre, kam dieses Happening an die Caipi-Aktion von 2013 heran. Das freut mich sehr. Felix Busse hat begriffen, was einen echten Verleger ausmacht.
Ich weiß, das sind 110 %. Aber auch das ist für einen Verleger eine Voraussetzung.
W O D K A
Wodka, der klare, simple, frische, unglaublich vielseitige Kartoffel- oder Getreideschnaps, ist nicht nur bei den Finnen sehr beliebt, sondern eignet sich auch hervorragend zum Kochen.
In der Showküche der Gourmetgallery fand ein solches Wodkakochen statt, und ich muss zugeben: Genau so hätte ich mir das auch vorgestellt.
Genau so war es! Also nicht ganz. Einiges habe ich erfunden. Das meiste. Aber eigentlich war es genau so.
W H I S K Y
Buchmesse, ich muss sagen: Dieses Jahr hast Du mich echt überrascht. Dass meine Freunde von Edition XXL ein paar ordentliche Whiskys da hatten, war ein Fortschritt. Und nun stolpere ich quasi mitten in eine Whisky-Verkostung bei Pendo / Piper hinein, wo ich einen neuen Freund finde. Ich meine nicht Ralf Kramp, der mir empört auflauert, weil ich gestern einen Witz über ihn einbaute, sondern den Bowmore 15, aber der Reihe nach.
Carsten Sebastian Henn, Weinjournalist und Krimi-Autor, tritt hier im Qilt auf, um seinen neuesten Whisky-Krimi zu promoten. Im Gepäck hat er einen Laphroaig, einen Glenkinchie und einen 15jährigen, dunklen sherrysüßen Bowmore mit viel Torf.
Ich nehme einen Schluck von dem Bowmore, und – kann’s kaum fassen – sofort erscheint mir ein Zwerg!
Nun, ich will mich an Sebastian Dickhauts Rat halten und kein Aufhebens darum machen, wie gut mir dieser Tropfen schmeckte, sondern schweigen und dankbar sein.
ENDE DES FREITAGS
Und weil ich nicht weiß, wie ich dieses Foto (und diesen Whisky) noch übertreffen soll, fahre ich nun heim. Maren Ongsiek (finnisch für „die schmerzhaft vielbeschäftigt hallenweit verstreut seiende“) hat wieder ein Foto von der Messe bei Nacht gemailt. Ich würde sagen geknipst vom Parkplatzeingang hinter Halle 4. Ich danke es wieder mit einem Zweizeiler in die Nacht. (Haiku ist mir noch zu schwer. Aber wenn Sie mir morgen wieder ein Foto von der Messe bei Nacht schicken, liebe Frau Ongsiek, nehme ich diese Herausforderung gerne an.)
Ich wünsche Ihnen für den Samstag alles Gute, vor allem Ausdauer, Geduld und Kraft. Wir haben es einerseits fast geschafft; wir haben andererseits noch „Die Horde“ vor uns.
Und die kriegen wir natürlich auch noch hin.
Sie und auch Ihr
Matthias Mayer
Orte, die auf gar keinen Fall zu Skandinavien gehören, Teil 4 von 6: