Der Messe-Mayer Tag 5 von 6: Samstag – Chidolue und Anselmfie

LIEBE FREUNDE,

warum vergesse ich jedes Jahr, so im Grunde immer ab Montag nach der Messe, wie voll es hier Samstags ist? Wahrscheinlich ist das ein Notprogramm meines Gehirns, damit ich nächstes Jahr wieder komme.

Ja dann.

Nicht mal Rafik Schami kommt hier vorwärts.

Na? Haben Sie ihn entdeckt?

Und schon gar nicht möchte ich am Sams- oder Sonntag Maskottchendienst haben.

Was, wenn eine Panik ausbricht?
Am Ende sogar seinetwegen?
Oh Gott, er hat mich gesehen ALLE RAUS HIER

Sowas will man ja auch nicht erklären müssen hinterher.

Oh, aber bevor es losgeht, sollten Neulinge wissen, dass ich am Messe-Wochenende immer mit Plüsch-Ohren ausgestattet bin. Die sind in meiner eigenen Haarfarbe, weswegen alle Frauen sofort mit mir schlafen möchten, und sie ermöglichen mir problemloses Eintauchen in die CosPlayer-Szene.

Archivfoto von 2013:
Magische Einsatz-Ohren sind unverzichtbares Werkzeug geworden

Meine gesammelten Eindrücke vom CosPlay werde ich Ihnen aber erst im Abschlussbericht Montag früh präsentieren, obwohl sie auch heute schon schwer zu ignorieren sind:

Allerdings sind Schlafanzüge in der Frankfurter U-Bahn ein üblicher Anblick
Eines nur: Das Sicherheitspersonal wurde komplett
durch diesen einen Cyborg ersetzt.

DAGMAR CHIDOLUE

Am Stand von Oetinger treffe ich die Millie-Autorin Dagmar Chidolue! In ihrer erfolgreichen Reihe lässt sie das Mädchen Millie teils Alltags-, teils Reiseabenteuer erleben. Zähneputzen contra Ägypten. Weil Frau Chidolue mal frech behauptet hat, sie erreise jede Millie-Geschichte selbst, wollte ich da noch mal nachhaken.

BuchMarkt: Sie machen jede Ihrer Millie-Reisen selbst?

Dagmar Chidolue: Ja, ja.

Welche Reiseziele waren das?

Na, alle! Es fing ja mit Paris an, London, New York, Moskau, Istanbul, Ägypten, Afrika, Nordpol…

Sie waren also am Polarkreis?

Nein, ich war weiter hoch! Polarkreis hat nicht gereicht, das geht ja noch weiter! Ich war richtig 90 ° Nord.

Das ist doch sicher sehr teuer? Wieviel kostet denn eine Millie-Seite, gemessen am Reiseaufwand?

Das war sicherlich die teuerste Geschichte. Ich habe auch lange überlegt, ob ich das vom Aufwand her überhaupt machen kann. Ich habe dann die Reisekosten auf zwei Steuerjahre verteilt, damit das Finanzamt nicht vom Stuhl fällt. Ich habe es nicht nachgerechnet, aber ich glaube, an Millie am Nordpol verdiene ich keinen Cent.

Was waren die tollste und die schrecklichste Reise, die Sie gemacht haben?

Die tollste Reise war der Nordpol. Traumhaft. Die schrecklichste Reise hingegen habe ich gerade erst abgeschlossen und kam vor zehn Tagen zurück: Und dabei war das Millies Traumreise, nämlich zum Amazonas.

Was war daran schrecklich?

Es war sehr hart, weil es eine Expeditionsreise war. Es war sehr schwer, sehr, sehr heiß. Es war schwer, in Rio etwas zu essen zu finden, das man auch essen kann, wenn man sich mal abseits der Reisegruppe bewegte. Die Gruppe war sehr schwierig.

Wieviel von solchen Problemen vor Ort bekommt die Figur Millie mit?

Auf die leichte Art baue ich das schon ein, zum Beispiel die Favelas, die zum Stadtbild Brasiliens gehören.

Andere Eindrücke von Brasilien?

Ich war einmal in einem Restaurant essen, und in Rio bekommt man automatisch Portionen für zwei. Doppelten Wein, doppelte Menge, automatisch für zwei. Und für mich wäre eine Portion schon zu viel gewesen, ich musste also richtig viel zurückgehen lassen. Als ich gegangen bin, sehe ich, wie sich das Personal direkt über meine Reste hermacht. Wie dicht arm und reich hier beieinander leben, sieht man eher an solchen Alltäglichkeiten, und nicht nur an schmutzigen Kindern oder anderen Bildern, die man sattsam kennt. Dass brasilianische Kinder alle im Müll spielen, ist ein Klischee, aber dass die Brasilianer eifrig ihren Müll trennen, weiß hier keiner. Und das sind dann Dinge, denen auch Millie begegnen kann. Es muss dem Alter der Leser eben angemessen sein.

Wer entscheidet denn über das nächste Ziel? Muss jedes Milliebuch an Ihrem privaten Urlaubsort spielen, oder müssen Sie Millies Schnapsideen hinterherreisen? Entsteht die Geschichte nach dem Reiseziel oder umgekehrt?

Frei Schnauze konnte ich früher mal, aber dann wollte der Verlag Mitsprache, weil die dachten, sie wüssten, welche Bücher besser laufen würden als die anderen. Man schlug dann Reisegeschichten vor. Ulkigerweise zeigte sich, dass die Alltags-Millies viel besser ankamen. Deshalb versuchen wir heutzutage, das ein wenig abzuwechseln, die Reisebände und die Alltagsbände. Ich wäre ja lieber ganz bei der Reiseschiene geblieben.

Klar: „Millie beim Zahnarzt“ ist als Termin nicht so attraktiv wie Hawaii oder Rio.

Schweden fand ich aber auch langweilig. (lacht)

Welche Orte wünschen sich Kinder, die nicht in Frage kommen?

Atlantis und Weltraum. Immer wieder Weltraum.

Keine Märchentante: Dagmar Chidolue erzählt die Welt

MEIN GANG DURCH DIE HALLEN

Beim Frech-Verlag tritt die Electropopband Glasperlenspiel auf. Am Stand war fettes Gedränge, wahrscheinlich alles Hermann-Hesse-Leser. Frech weiß sein Publikum mit viel Licht, Musik und Gefühl abzuholen. Wer das nächste Mal ein Buch von Frech in der Hand hat, erinnert sich an die coolen Momente auf der Buchmesse.

Autogramme von der GZSZ-Titelmusik
Und die Presse geht auch mit.
Geschäftsführer Michael Zirn beim Geschäfteführen:
Jugendliche Sänger besser im Auge behalten.

Am Stand vom Guinnessbuch wurde eine große Dominobahn aufgebaut, aber leider konnte ich nicht warten, bis die fertig ist.

Also habe ich sie gleich selber kaputtgemacht, das dauert sonst ewig
Wird aber morgen bestimmt wieder aufgebaut!

Bei Piper gibt Andrea Sawatzki Interviews, Autogramme und backt Kuchen. Ach nein, halt, das war Enie bei Tre Torri. Sie müssen verzeihen. Das sind aber auch so viele Namen und Menschen. Frau Sawatzki hatte natürlich ihr neuestes Buch zu präsentieren.

Piper, Pendo, was nicht alles, das kommt ja dann auch noch dazu!

Zur Stärkung mache ich kurz halt in meiner inoffiziellen Not-Station, dem Arena-Verlag. (Nein, nein, BLV, Ihr seid ebenfalls meine Not-Station.)
(Oh, ich habe hier viele Notstationen.)

Survival-Regal: Süße Snacks, Orangensaft und Tutanchamun: Danke, Arena.

Nur kann ich von Twix nicht lange leben, so gerne ich es auch esse. Aber ich folge dem Ruf der Edelküche und freue mich, dass im exklusivsten Restaurant der Messe immer ein Plätzchen für mich frei ist: Bei Tre Torri im Restaurant Trilogie. Immer ausgebucht, aber ich habe ein Spezialeckchen am Fenster.

Christine Schlötterer ist froh, dass ich mich nun als Termin aufdränge, denn dann „muss“ sie sich „leider“ um mich „kümmern“, und das kam grad gelegen, weil Frau Schlötterer ebenfalls hungrig war und eine Essenspause begrüßte.

Ich fresse mich also nicht nur auf so einer Messe durch, sondern ich verursache ganze Mahlzeiten bei anderen Personen!

Roastbeef mit Schwenkkartoffeln, so einfach ist das.

Und wie delikat! Bestimmt habe ich am Sonntag nochmal Hung- äh, einen Termin bei Tre Torri, meine ich. Bis dahin können Sie auch gerne mal die neue Homepage von Tre Torri ansehen, die ist nämlich jetzt noch feiner als vorher.

Aus Messezeitnotschlafmangelgründen habe ich mir vielzahlige Verlinkungen ja leider abgewöhnt, aber hier mache ich natürlich eine Ausnahme: (Tre Torri Relaunch)

Huch, wussten Sie, dass Lego hier einen Stand hat? Das muss ich mir ansehen! Freu!

Oooooh, schade.

Wie kann man denn einen Lego-Stand eröffnen und dann nur pädagogische Konzepte vorstellen und Prospekte anbieten? Das ist doch kein Lego-Stand!

DAS hier ist ein Lego-Stand:

Dorling Kindersley muss Lego beibringen, wie man Lego spielt

Gar nicht erwartet hatte ich, Costa Cordalis hier anzutreffen, aber die Osnabrücker Zeitung hat seine Autobiographie gedruckt und präsentiert ihn deshalb an ihrem Stand.

Die Osnabrücker Zeitung hat hier einen Stand?

Droemer Knaur ist ja eher katholisch orientiert und präsentiert daher einen halbnackten Mann. Bitte verstehen Sie mich nicht miss; der Gestählte präsentiert sich als ironische Einladung, Cover-Situationen von schmalzigen Liebesromanen nachzustellen.

Ich wollte mich auch gerne mal als Covermodell zur Verfügung stellen, aber der Funke wollte nicht recht überspringen.

Kann ich bitte nochmal die Schäpse von gestern haben?

Hahaha, nein, war nur Spaß, wir sind halt beide Vollprofis, der Herr Señor Pirat und ich.

Ist ja wohl klar, wer hier der Niedliche ist.

H E R D E R

Frau Maren Ongsiek, auf dieser Messe zuständig für: diese Messe, findet es plötzlich in Ihrem Aufgabenfelde wieder, den Kontakt zu mir anzubahnen, wenn man einen Auftritt im Messe-Mayer wünscht. Der Mythos, dass man Kontakte braucht, um mit mir Kontakt aufzunehmen, gefällt mir ja. Und immer wieder höre ich dann: „Ich hätte mich nie getraut, sie direkt zu uns einzuladen!“ Auch diese Ehrfurcht ist durchaus gewolltes Konzept des BuchMarkt-Projektes „Messe-Mayer“.

Die Wahrheit ist aber viel einfacher: Ich bin nämlich so höflich, dass ich jeder Einladung folge! Ich komme an Ihren Stand, mache Sie fertig und gehe wieder, und alle sind glücklich. Es ist wirklich so einfach.

Jedenfalls hatte ich heute die große Freude, endlich mal den Herder-Verlag zu überfallen! Das ist der rote, große, offene Stand am Ende von Halle 3.1, da wo Sie dauernd christliche Gratismagazine ablehnen müssen, wenn Sie vorbeilaufen.

Der Stand von Herder, Hipsterversion in Teilschwarzweiß

Ich wurde freundlich aufgenommen und bewirtet. Das übliche Süßigkeitensortiment ist nicht das Schlechteste, wenn noch Bounty oder Twix übrig sind.

Fairer Kaffee, aber Imperialistenschokolade:
Das Mars Inc Sortiment setzt sich durch

Auch Herder hat sich eine De’Longi-Kaffeemaschine zugelegt und sich aber echten Espresso auf die Fahnen geschrieben. Und schlecht war der nicht. Als ich dann noch nach einem Cappuccino fragte, flog aber auf, dass keine Seele wusste, wie man die De’Longi-Maschine bedienen musste, damit sie auch Cappuccino von sich gab.

Aber der Espresso war aus fair gehandelter Bohne. Von Buch bis zur Bohne bleibt Herder konsequent ein Verlag für Menschen.

Auch für solche.

Links sehen Sie Eventmanagerin Gabriela Riegel, rechts mich, den Messe-Mayer. Und Frau Ongsiek bekommt sogar eine tolle Tasche geschenkt, die ich auch gerne hätte! Aber das kommt gar nicht in die Tüte.

Und wer kommt da aus der Tüte?

Und dann hatte ich folgende Verblüffende Begegnung am Herder-Stand: Da stand plötzlich Pater Anselm Grün vor mir!

So gerne streicht Herr Grün doch nicht über Buchmessen?

Aber siehe da, er erwies sich bei näherer Umrundung als Faksimile, als bloßes Pappwerk.

Das funktioniert aber nur im Kino.

Und ich muss zugeben, dass man mit einer Kamera und einem papiernen Abbild von Pater Anselmo sehr viel Freude haben kann.

Wie nennt man sowas? Einen AnSELmFIE?
Und wie gesagt: Fair gehandelte Bohne!

Ich bedanke mich bei Frau Riegel für ihre Einladung und war gewiss nicht das letzte Mal bei Herder zu Gast. (Es sei denn, ich kriege Standverbot wegen dieser Anselmofotos.)

H E I M W E G

Und das war mein Messe-Samstag. Auf dem Weg nach draußen nehme ich im Lesezelt noch das Disney-Quiz von Egmont mit. Hella von Sinnen führt als Duck-Fan durch ein „Quizney“, das gar nicht ohne ist. Neben leichten Fragen wie die nach Donalds Autonummer (313) oder seinem zweiten Vornamen (Fauntleroy) gab es auch schwierige, zum Beispiel nach dem englischen Namen von Gundel Gaukeley (Magica de Spell).

Panzerknacken, Bällewerfen – das hat richtigen Clubhaus-Flair
Die dicke Tante liebt ihren Disney, das merkt man

Das Zelt brodelte vor Stimmung, und viele Leute wussten viele Antworten. Ich war beeindruckt und erfüllt. Nein, wirklich: Wenn die Kinder von heute wissen, dass Donald eigentlich Donald Fauntleroy Duck heißt, dann ist das ein gutes Zeichen.

Ich hatte auch (wieder einmal mehr) das Glück, dass meine magischen Zauberohren Tante Hellas Aufmerksamkeit für eine Sekunde auf mich lenkte, so dass ich mich anbrüllen ließ, „wat datt denn für Ohren“ seien und wen ich denn wohl vorstellen solle. Hätte ich nicht zum Zug gemusst, wären wir womöglich noch weiter ins Gespräch gekommen.

Ich finde, das war eines der Highlights diese Woche im Lesezelt, aber wahrscheinlich knabbern Sie immer noch an Fauntleroy.

Dann nehmen Sie am besten noch das hier mit:

Das Krümelmonster heißt tatsächlich Sid.

Das Wetter war die ganze bisherige Messe diesig, nass und trüb, weshalb ich es auch gar nicht mehr groß erwähnen wollte, aber just auf dem Heimweg riss die Sonne die Wolken auseinander und stolperte auf die Agora wie ein zuspätgekommener Referent.

Ist das für Sonntag ein Versprechen, Petrus?

Mein zufällig abgehörtes Highlight des Tages war, als jemand nach dem Weg zum Börsenverein fragte und zur Antwort bekam:

„Das ist am Ende von Halle 4.0 ein riesiger Stand, eigentlich alles, was rot ist und wo viele Leute rumsitzen, die nix zu tun haben.“

Jawohl, ich teile Ihre Empörung so sehr, dass ich diese Ungeheuerlichkeit abdrucken muss.

Mit Frau Ongsiek hatte ich den Deal: Foto von der nächtlichen Messe gegen Haiku. Also gut, (räusper), ein Haiku also.

Bäume bei Nacht, oh!
Die Agora schweiget still.
Was ess ich nur heut?

Wie soll ich das noch übertreffen, falls Sie mir am Sonntag wieder ein Dunkelbild senden? Mit einem Limerick vielleicht? Oder hätten die Dame gerne eine Büttenrede?

So oder so: Ich freue mich auf den Sonntag, zum einen, weil die Woche dann endlich vorüber ist, zum anderen, weil es noch ein allerletzter Messetag ist!

Auf, Leute, den nehmen wir noch mit.

Sie und auch Ihr

Matthias Mayer

Orte, die auf gar keinen Fall zu Skandinavien gehören, Teil 5 von 6:

Deutschland

herrmayer@hotmail.com

www.herrmayer.com

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