Der Messe-Mayer Tango Argentino, Leonie Swann und Whisky on the Rocks

Liebe Freunde,

natürlich ist diese Überschrift irreführend. Das klingt ja fast, als hätte ich mit Leonie Swann erst einen Scotch getrunken und dann Tango Argentino getanzt. Hab ich aber nicht. Wie diese Ingredienzen und noch weitere dennoch meinen Messemittwoch prägten, erfahren Sie hier im Einzelnen. Aber bleiben wir doch in der Reihenfolge.

Mein erster Gang am Messemittwoch führte mich zu Eichborn, weil das auf dem Weg liegt und weil ich Gewohnheiten schätze. Die pinke Phase, in der ich Uta Niederstraßer vor ein paar Jahren kennenlernte, hat sie lange hinter sich und gegen einen klassischen Existentialistenlook eingetauscht: schwarze Brille und ansonsten Schwarz auf Schwarz, um womöglich von Grimmelshausen bald zu Sartre umzuschwenken.

Messetextilfarbe schlechthin

Frau Niederstraßer bietet mir noch das unglaubliche Buch von David Shrigley an, was ich aber dankend ablehne, weil ich bereits ein Exemplar direkt in meinen Aktenkoffer hineingeklaut habe.

Die Frage könnte ich genauso stellen.

Da ist man erleichtert, dass Uta Niederstraßer sich endlich dezent gewandet, und dann trifft man auf Harald Glööckler. Wenn Sie das Doppel-Ö für affig halten, müssten sie erst mal sehen, wie das in seiner umlautlosen Homepage-Adresse aussieht.

Der Ausnahme-Modezar für die Shopping-Channel-Klientel war zu Gast bei Lübbe, aber ich hoffe doch nicht etwa, weil er ein Buch gemalt hat. Aber ich will nicht spötteln, pardon, spöötteln, denn für ein abenteuerliches Foto ist Glööckler ja ein Glüücksfall.

Mozarts LSD-Alptraum

Nur eines häätte ich zu gerne gewusst: Ich köönnte schwöören, dass der Mann eine Damenbinde am Handgelenk träägt. Ein Kilo güüldener Klunker und eine Damenbinde.

Warum?

Ich weiß es nicht, vielleicht Kontrastprogramm, vielleicht bin ich auch nur üüberhaupt nicht en vogue. Bodo Horn macht doch immer jeden Quatsch mit. Wahrscheinlich wird er zur nächsten Messe auch so eine Binde am Arm tragen.

Und doppelter Umlautmissbrauch ist gräässlich. Ich hab’s ausprobiert.

Das wird jedenfalls kein Trend.

Und bleiben wir unter der Gürtellinie: Bei Edition Lammerhuber wird ein riesiger Kunstbildband vorgestellt. Der argentinische Künstler Nico Ferrando hat Nacktfotos von Ehepaaren gemacht und dann Torsos, Geschlechtsteile und Sozialversicherungsnummern ausgetauscht.

Und da die Redaktion einhellig entschieden hat, dass dislokalisierte Geschlechtsteile in mein Ressort fallen, musste ich das hier einbauen.

Damit muss ich erst mal umgehen lernen

Ebenfalls schon völlig in die Messe eingebaut ist Parlando-Verleger Christian Brückner. Bekannt ist er vor allem auch durch seine wunderbaren DeNiro-Parodien und seine anhaltende Frisurverweigerung. Wenn Brüückner und Glööckler auf dieser Messe zusammenstoßen, neutralisieren Sie sich wahrscheinlich gegenseitig.

muss weiter, Robert DeNiro´s waiting

Auch ein drolliger Gast: Shaun das Shaf. Pardon, Schaf meine ich. Verlegt bei Komet. Arme Azubischweine in körperklimatisch bedenklichen Plüschanzügen sind nach wie vor ein Fall für Amnesty International.

Oder für die Buchmesse.

Ein Schaf winkt sich einen Wolf

Welche bessere Überleitung kann es zu Leonie Swann geben?

Ich treffe die Autorin der einzigartigen Schaf-Krimis Glennkill und Garou auf ein Interview bei Random House, wo wir uns ein paar Minuten lang über Schafe und Fortsetzungen unterhalten können.

Ich will gerne wissen, ob der Erwartungsdruck nach einem solch erfolgreichen Debüt nicht sehr hoch ist. Swann findet den immensen Zuspruch aber eher ermutigend; und zwischen Erwartung und Überraschung eine feine Balance zu finden, mache ihr sehr großen Spaß.

Das ist ihr mit Einführung der Ziegen gelungen, die ja nicht nur Handlungs-, sondern auch Symbolträger sind – das Dionysische (Ziegen) und das Apollonische (Schafe) heben den Whodunit beinahe zur Fabel an. Und die Fans teilen sich ohnehin auf in Krimi-Leser und Schaf-Leser.

Zu Irland (Buch 1) und Frankreich (Buch 2) hat Swann auch eigene biographische Bezüge und prägende Erst-Schaf-kontakte zu vermelden, daher lagen diese Orte für den Hintergrund ihrer beiden Geschichten nah.

Ein nächstes Projekt ist noch nicht in den Startlöchern, aber wenn es soweit ist, wird Leoni Swann nicht sofort wieder einen Schafskrimi schreiben.

„Nicht sofort“, das ist hübsch formuliert. Aber vielleicht bald. Wenn.

Ich bedanke mich für das kluge, leise und heitere Gespräch und entlasse Frau Swann wieder ins Stöbern, denn wenn sie nicht über Schafe schreibt, scheint sie selber eine Leseratte zu sein. Ihre Wahl fällt auf Justin Cronins „Der Übergang“.

Ich habe ihr gesagt, dass ich sie im Auge behalte.
Hoffentlich klang das so freundlich, wie es gemeint war.

Ihr eigenes Buch kennt sie schon

Auf eine Zigarettenlänge Frischluft begegne ich Dora Heldt und Peter Hetzel. Die dtv-Autorin und der SAT.1-Buchrezensent üben gerade Posieren und warten nur darauf, dass ein Nichtstuer mit Kamera vorbeikommt.

Hetzel hat ein Interview mit Bret Easton Ellis vor sich, sobald Ellis ausgeschlafen hat, während Dora Heldt meiner Mutter nebenher Einklau-Tipps für Buchmessen erteilt.

Meine Mutter ist nicht mit im Bild, weil meine Kamera nur Fachbesucher ablichtet.

Das Pärchen Himmelblau

Und da wir schon mal draußen auf der Agora sind: Am Dienstag kündigte ich Luftakrobatik an der größten Buchattrappe der ganzen Messe an, und davon konnte ich mich dann heute live überzeugen: Drei junge, sportliche Damen in weißem Jersey-Chic vollführen für den riva-Verlag ein horizontales Luftballett an Kletterseilen! Wow!

Keine Ahnung.
Damit Sie kein Luftballett aufführen müssen?

„Culture in Motion“ lautet auch das Motto dieser Messe, und da hätte der Verlag ja wenigstens schon mal den Bereich „Motion“ abgedeckt.

Oder die sind angebunden, damit sie nicht wegfliegen.
Vielleicht geh ich doch mal irgendwann zum Turnen.

…oder zum Tanzen: Bei einem Gastland wie Argentinien wird hier natürlich fleißig Tango getanzt. (Unter diesem Aspekt bin ich auf das kommende Gastland Island schon ganz gespannt.) (Was tanzt man denn in Island? Sitztanz? Pogo? Menuett?)

Hier jedenfalls wird getangot.

Sitzplatz und Stehplatz

Und wehe dem, der glaubt, hier nur zuschauen zu müssen – hier wird mitgetanzt. Ich weiß, auf einem Foto kommt das schlecht zur Geltung, da sieht das eher aus wie „My achy breaky heart“.

Bei den beiden Argentiniern sieht das irgendwie nicht so deutsch aus.

Einzig ARD-Nussknacker Dieter Moor ist es gelungen, die beiden Brummkreisel zu packen und anzuhalten.

Wie wäre es denn mal mit Ballett?
Irgendwas von Tschaikowski vielleicht?

Nach so viel optischer Bewegung bin ich durstig geworden und suche den Stand von Ballantine’s auf, dem bekannten Whisky-Verlag. Das ist kein Witz. Ballantine’s hat wirklich einen Stand auf dieser Messe. Halle 3.1 Stand L 1702.

Ich habe mir gleich ein eigenes 70-cl-Leseexemplar gesichert.

Allerdings hat mich heute nur der Praktikant bedient, denn man hat mir Eiswürfel in den Scotch getan. Eis-wür-fel! Welch Frevel. Da fehlt ja nur noch ein kleines Papierschirmchen und ein Strohhalm.

Aber der Whisky um das Eis herum war gratis.

Für unsere allerkleinsten hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ein riesengroßes Wimmelbild ausgestellt, das im Detail aus lauter Einzelfotos von Verbandsmitgliedern besteht. Eine Art „Wo ist Waldo?“ für Bibliophile.

Finde den Honnefelder
Ich hab ihn!

Auch hat sich dieses Jahr der ein oder andere Stand wieder eine neue Möblierung geleistet. Alle paar Jahre muss das mal sein.

Aufbau zum Beispiel. Letztes Jahr stand das Schicksal des Traditionsverlages noch in den Sternen, und dieses Jahr ist alles neu. Freundliches Hell mit sympathischen Farbakzenten, das passt in die ikeakonditionierten Sehgewohnheiten der heutigen Zeit.

Aufbau bei Aufbau

Benedikt Taschen geht natürlich mal wieder in die Vollen und hat gleich eine riesige Halfpipe gebaut. Ich weiß gar nicht, was eine Halfpipe ist, aber ich plappere es einfach mal nach.

Fehlt nur noch das Skateboard.

Den schönsten Neubau aber hat Kein & Aber vorzuweisen. Das Schweizer Verlagshaus hat extra ein Designteam gechartert, das noch nie einen Messestand gebaut hat.

Und genau so sieht der Stand auch aus. Völlig un-Messe. Wie ein sehr verschrobenes Wohnzimmer. Und Sie werden staunen: Das hebt sich immens wohltuend ab vom üblichen Messestand-Messewand-Einerlei. Wohnzimmerregale, Palmen, Teppich, Kronleuchter und jede Menge liebevoller und skurriler Details, von Bierkrügen über ein kleines Tony-Randall-Porträt (WTF?) bis hin zu den Ölgemälden der Hausautoren.

Falls ich jemals sterbe – was natürlich niemals passieren wird – möchte ich gerne ausgestopft werden und einer Zweitkarriere als Stand-Acessoire bei Kein & Aber entgegenblicken.

Fehlen nur noch die Puschen.

Allerdings muss ich bei so viel Lob doch auch am Lack kratzen:

Was ist denn das für eine Cover-Gestaltungs-Ethik?
Weiß Random House davon?

Die Bücherdiebin und die Coverausleiherin

Sie werden sich sicherlich wundern, wieso ich das Thema Essen noch nicht gestreift hatte. Das liegt daran, dass ich noch nichts bekommen habe. Außer einem Apfel beim Murmann-Verlag, aber darüber berichte ich am Donnerstag.

Denn nun kündigt sich die Happy Hour an, die Verlagsmitarbeiter legen sich schon mal die Alkohol-Infusionen; und da gibt es dann auch meistens einen Happen zu essen.

Bei all den lukullischen Kitzeleien, die mich noch erwarten, ist etwas Ursprüngliches gerade recht. Bei Dort-Hagenhausen gibt es eine Brotverkostung mit Alpenbutter! Peter-Uwe Sperber hat mir das empfohlen. Wahrscheinlich haut er sich irgendwo einen kostenlosen Schweinebauch rein, weil er mich beim Butterbrot beschäftigt wähnt.

Sperber, Dich krieg ich noch.

Und zwar zur Happy Hour bei Kein & Aber. Nachdem mich der Stand schon so beeindruckt hatte, will ich jetzt auch den Barkeeper testen und genehmige mir einen Gin Tonic.

Chinin soll ja vor Malaria schützen

Als Trio Infernal tritt hier in alter Seilschaft an: Illustrator Nikolaus Heidelbach, Ur-Eichborn Vito von und Kein-&-Aber-Chef Peter Haag. Heidelbach wurde mir erst als Hurzlmeier vorgestellt, weder stilistisch noch lokal kann man danebener liegen.

…und gleich noch Werbung für Bruckmann mitfotografiert

Ich lasse meinen Gin Tonic in charmanter Begleitung ausklingen: Silke Traurig-Eckerskorn zieht es immer wieder auf die Messe, weil sie bereits in allen Verlagen gearbeitet hat, die ich heute genannt habe!

Messeveteranin (verzeihung) und Tim Tonic

Wie ich immer sage: Diese Branche verliert niemanden. Hier herrscht noch Zusammenhalt. Da Frau Traurig-Eckerskorn aber nicht mehr im Buchhandel arbeitet, lasse ich sie von der Hallenaufsicht entfernen, nachdem wir gemeinsam ausgetrunken haben.

Ausgetrunken habe ich auch diesen Messetag bis zur Neige (frz. für Schnee) und freue mich auf eine Runde Schlaf, eine Tasse Kaffee und den Donnerstag. Ich bedanke mich bei Claudia Heldt für die Fotos, bei Ihnen allen für die interessanten Tipps und bei meiner Mutter für die Bügelwäsche.

Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com
www.herrmayer.com

Berühmte Schein-Argentinier, Teil 2:

Nicolás Gómez Dávila (Kolumbien)
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