Aus der Werkstatt der Verlage (IV) Lothar Schirmer: „Für die kommende Saison wünsche ich Ihnen allen ein kraftvolles adieu tristesse“

Wir hatten in den letzten Tagen genügend Zeit, in den aktuellen Noviäten-Vorschauen zu blättern und vor allem deren Editorials zu lesen. Diese oft sehr persönlichen Verleger-Blicke auf ihre jeweiligen neuen Programme und auf die Branche derzeit wollen wir hier in loser Folge mit Ihnen teilen. Den Anfang machte Christoph Links, darauf folgten die Editorials von Lucien Leitess und von Daniel Kampa. Heute nun der Text von Lothar Schirmer:

Lothar Schirmer: „Ich wünsche Ihnen Gesundheit, guten Mut, Schaffensfreude – wer schaffen will, muss fröhlich sein, sagt Fontane – und natürlich Sinnesfreude und Lust an unseren Büchern. Sie werden weiterhin nach dem Prinzip der Schirmer’schen Paradoxie geschaffen, deren Ziel es ist, höchste Qualität mit hoher Quantität und Erkenntnis mit sinnlichem Vergnügen sowie niedrigen Preisen zu vermählen“

Drei große Geburtstage von Autoren unseres Hauses, die Weltstars zu nennen keinesfalls übertrieben ist, liegen vor uns:

Rainer Werner Fassbinder ist wie sein Kollege Wim Wenders im Jahr 1945 geboren. Beider 75. Geburtstag wird demnächst gefeiert. Fassbinder würdigen wir zu seinem Jubeltag am 31. Mai mit einer Neuerscheinung, die die schönsten Filmbilder aus seinen Werken versammelt. Peter Handke und John Waters haben für dieses Buch höchst unterschiedliche persönliche Texte geschrieben. Die cineastischen Leistungen des früh verstorbenen Meisters würdigt Hans Helmut Prinzler.

Mit einem Sonderfenster feiern wir Wim Wenders am 14. August, wenn er 75 wird. Die fünf bei Schirmer/Mosel lieferbaren Titel des Augenmenschen werden darin vorgestellt.

Helmut Newton, der große Berliner Photograph und Repräsentant einer Generation, der Berlin noch als „reich und sexy“ in Erinnerung ist, hätte am 31. Oktober, dem Reformationstag, seinen 100. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass erscheint bei uns eine preiswerte Sonderausgabe eines seiner erotischsten Bücher, Pola Woman. Die Stadt Berlin wird sich mit einer Retrospektive in der Helmut Newton Stiftung nicht lumpen lassen, Gero von Böhm hat einen abendfüllenden Kinofilm („The Bad and The Beautiful“) gedreht, der wahrscheinlich im Fernsehen zu sehen sein wird. Die Loddel aus Köln dürften das Ihre tun, um mit Unterstützung von Alice Schwarzer Newtons Ruhm in den Himmeln der Ewigkeit zu verdunkeln.

Der Zufall, den es ja eigentlich nicht gibt, hat es gefügt, dass in unserem neuen Programm gleich vier Bücher der Künstler stehen, die im Zentrum meines verlegerischen Interesses angesiedelt sind (Sendungsbewusstsein!): neue Bücher erscheinen von Cy Twombly, Joseph Beuys, Bernd und Hilla Becher sowie Anselm Kiefer. Ich nehme das zum Anlass, nicht ohne Stolz auf die Gesamteditionen dieser Künstler in meinem Programm noch einmal besonders hinzuweisen.

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Paris ist ein weiterer Programmschwerpunkt. Der hochgelobte Bildband Notre-Dame de Paris, eine Bildgeschichte der Kathedrale und ihres Umfelds von der Renovierung im 19. Jahrhundert bis zum großen Brand vor einem Jahr, hat das Zeug – alles deutet darauf hin –, eine Art europäischer Bestseller zu werden. Die Einschränkung der Reisemöglichkeiten werden dazu beitragen, ebenso die Diskussion um den Wiederaufbau und die bereits bemerkbare Hinwendung zu den spirituellen Werten des Kontinents.

Dresden und München setzen die Reihe photographischer Dokumentationen europäischer Großstädte fort. Das untergegangene „Elb-Florenz“ und die nun nicht mehr „heimliche Hauptstadt Deutschlands“ sind eine Augenweide für geschichtsbewusste Zeitgenossen in Ost und West, für Dresdner und Münchner sowieso.

Cees Nootebooms neues Buch über das japanische Kloster Kozan-ji mit seinen berühmten Bildrollen von „lustigen Tieren“ aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die vielen als Geburtsstunde des Comics gelten, ist unser Medikament gegen Ihr Fernweh.

Die erste monographische Veröffentlichung der Gemälde des in Paris vor fast 70 Jahren gestorbenen und aus Dresden stammenden Malers Wols, der als der Erfinder des „Informel“ gilt, führt uns wieder in die französische Hauptstadt zurück. Das Buch schließt die Lücke in unserem Programm zwischen der Kunst von Antonin Artaud und Joseph Beuys.

Stephan Balkenhol, einer der wesentlichen Bildhauer der Gegenwart, bekommt im Sommer eine große Retrospektive im Duisburger Lehmbruck Museum und ein üppiges Schirmer/Mosel-Buch dazu.

Diese und alle unsere anderen Bücher empfehle ich Ihrer Obhut und lege sie in Ihre fürsorglichen Hände. Ich wünsche Ihnen Gesundheit, guten Mut, Schaffensfreude – „wer schaffen will, muss fröhlich sein“, sagt Fontane – und natürlich Sinnesfreude und Lust an unseren Büchern. Sie werden weiterhin nach dem Prinzip der Schirmer’schen Paradoxie geschaffen, deren Ziel es ist, höchste Qualität mit hoher Quantität und Erkenntnis mit sinnlichem Vergnügen sowie niedrigen Preisen zu vermählen.

In diesem Sinne sende ich Ihnen herzliche Grüße und danke für Ihr Interesse!

Für die kommende Saison wünsche ich Ihnen allen ein kraftvolles adieu tristesse.

Lothar Schirmer

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