Das Sonntagsgespräch Heinrich von Berenberg über 10 jahre Berenberg Verlag

Eigentlich sollte Heinrich von Berenberg das Bankhaus seines Vaters übernehmen, doch dann brach er seine Banklehre ab und studierte in Hamburg Germanistik und Anglistik. Über zwanzig Jahre lang arbeitete er als Lektor unter anderem bei den Verlagen Kunstmann und Wagenbach, bevor er 2004 gemeinsam mit seiner Frau Petra von Berenberg einen eigenen Verlag gründete.

Am kommenden Freitag feiert der Berenberg Verlag in Berlin seinen zehnten Geburtstag. Das war Anlass für Fragen an Heinrich von Berenberg.

Heinrich von Berenberg

Als Sie an den Start gingen, gab es Stimmen, die Ihr Vorhaben als „Verrücktheit“ bezeichneten. War die Verlagsgründung verrückt?

Nein, verrückt fand das eigentlich niemand. Und ich fand es auch von vornherein machbar, weil ich ja von vornherein nichts anderes wollte als eine Nische zu suchen, sie behutsam auszubauen und nicht zu verlassen.

Konnten Sie nach der Entscheidung noch gut schlafen?

Ja, ich konnte gut schlafen, denn ich habe das Glück, dass ich die Entscheidung zur Gründung nicht nur mit der Anfeuerung durch meine Frau, sondern auch mit etwas Geld im Rücken treffen konnte. Das ist nicht nur für den guten Schlaf wichtig, sondern auch für die Ruhe und Unabhängigkeit, in der die Programmarbeit bis heute funktioniert.

Und wie fühlen Sie sich zehn Jahre später?

Ich habe mich, ich gestehe es, noch nie so wohl gefühlt wie heute. Eigentlich unerhört, angesichts des Zustands der Welt rings um diese – im Prinzip – Insel der Seligen.

Ihre Nische war autobiografische und biografische Literatur – mit Titeln, die nicht dicker als 200 Seiten sind. Sind Sie dabei geblieben?

Diese Nische ist geblieben. Allerdings, wie gesagt, ich will sie behutsam ausbauen. Einige Bücher sind dicker geworden, weshalb wir ein neues Format eingeführt haben. Es sind Gedichte dazu gekommen. Der eine oder andere Autor hat dann auch mal einen Roman geschrieben, so dass auch Romane im Programm sind und sein werden, getreu eines meiner 2004 ausgesuchten Wahrsprüche, in diesem Fall von Ian Fleming: „Sag niemals nie“.

Ihre Bücher zeichnen sich neben der hohen literarischen Qualität auch durch die Gestaltung aus. Sind Sie Ihrem Anspruch auch hier treu geblieben?

Das hoffe ich sehr. Die schöne Gestaltung ist ja kein Luxus. Wenn man so klein ist wie wir, muss man in der Bücherflut unserer Tage irgendwie auffallen. Das ist uns nicht nur durch die Autoren, sondern auch durch die Gestaltung gelungen. Die schönen Bücher sind lebensnotwendig.

Und das trotz – oder wegen – der digitalen Bücher?

Sowohl als auch. E-Books sind nicht schön. Manchmal, wenn man schnell mal was lesen möchte, womit man nicht unbedingt den eigenen Bücherschrank weiter verstopfen will, sind sie aber ganz nützlich. Wir werden auch unsere Bücher demnächst als E-Books anbieten, weil nach ein paar Büchern schon gefragt wurde und weil ich nicht hochmütig den Anschluss verlieren will.

Wenn es um literarische Entdeckungen geht, wird oft Ihr Instinkt gelobt. Wie finden Sie Ihre Autoren?

Da ist seit dreißig Jahren ein Netz entstanden – aus Freunden, Reisen, Kollegen, Redakteuren, Ideen, immer wieder abenteuerlichen Zufällen, aufgeschnappten Neuigkeiten oder Hinweisen, Lektüre von Büchern, Zeitschriften, Zeitungen. Ganz wichtig: Interesse über den rein intellektuell literarischen Tellerrand hinaus. Meine Frau z.B. ist Medizinerin und neuerdings Medizinsoziologin. Die interessiert sich für unendlich viel Sachen, von denen ich keine Ahnung habe, die ich aber interessant finde. Ich habe auch schon Bücher gefunden, weil mich der Name eines Autors faszinierte. Hinzu gekommen ist das Prestige des Verlags. Und inzwischen wollen viele Autoren gerne ihre Bücher unbedingt bei uns verlegt wissen.

Wie haben Sie sich das Prestige erarbeitet?

Es ist wohl doch hauptsächlich die hohe Qualität der Autoren und die Art, wie wir damit umgehen: Sie werden respektvoll lektoriert, auch die zeitgenössischen, denn wenn ich etwas nicht leiden kann, dann Besserwisserei gegenüber Autoren. Und das äußere Erscheinungsbild der Bücher tut dann ein Übriges. Ich glaube, die Leser und die Autoren haben verstanden, dass dieses wirklich ein Liebhaberprojekt ist. Nicht im Sinne des Finanzamts, sondern weil hier nicht in erster Linie geschäftliche Interessen im Vordergrund stehen, sondern die Hoffnung, dass möglichst viele Leute begreifen, dass hier ein Projekt kulturpolitischer Nachhaltigkeit entstehen soll. Das klingt vielleicht etwas elitär, aber da können nicht wir etwas dafür.

Wie lautet Ihr Erfolgsrezept für die Zukunft des Verlegens?

Die eigene, selbst erarbeitete und ausgebaute Nische unbedingt bewahren. Sich nicht aufblasen. Unbedingt heiter bleiben. Die Nachrichten über den Fall und Untergang des deutschen Buches höre ich, seit ich mit Büchern was zu tun habe, in immer neuen Varianten. Jetzt ist es Amazon. Das Beste dazu hat Markus Hatzer von Haymon neulich in der FAZ gesagt www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/amazon/amazon-treibt-uns-alle-derzeit-vor-sich-her-13072874.html. Es geht allerdings inzwischen alles viel schneller, und wie es in zehn Jahren aussieht, wage ich nicht zu sagen. Es sind ja vor allem die Leser, die sich verändern, die männlichen, die weniger lesen. Ohne die Frauen wäre wahrscheinlich sowieso alles längst zusammen gebrochen, was mit Büchern zusammen hängt.

Sie waren auch in diesem Jahr wieder bei den „Kleinen Verlagen am großen Wannsee“ dabei. Was reizt sie an dieser Art von Veranstaltung?

Das ist eine Stammveranstaltung. Es ist die gewohnte Liebe zu diesem Ort, den ich seit meiner frühesten Westberliner Zeit Anfang der achtziger kenne. Es sind die Kollegen, die dort arbeiten, die ich mag und die uns mögen. Wenn das Wetter schön ist, dann ist das eine wunderbare Veranstaltung.

Nimmt das Feuilleton den Berenberg Verlag ausreichend wahr?

Neben der schönen Gestaltung ist das Interesse der Zeitungen und besonders auch der Rundfunkredaktionen an unseren Büchern eine Lebensader. Es ist seit zehn Jahren ungebrochen. Das liegt allerdings auch an der ebenfalls seit zehn Jahren unermüdlichen Arbeit von Tatjana Kirchner und ihren großartigen Mitarbeiterinnen.

Und die Buchhandlungen?

Ohne die ginge sowieso überhaupt nichts.

Was erwarten Sie von den Buchhändlern?

Dass sie wissen, was wir machen.

Wie unterstützen Sie die Buchhändler dabei?

Durch unsere Vertreter, die, dank der lebenswichtigen Hilfe meiner Freundin Antje Kunstmann, seit zehn Jahren für uns arbeiten. Außerdem möchte ich an dieser Stelle wieder einmal verkünden: Der Verleger ist jederzeit bereit, in den entferntesten Winkel dieses Landes zu reisen, um Verlag und Verlagsprogramm garantiert kurzweilig und ohne Honorar vorzustellen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Online-Handel gemacht?

Zu wenig bisher. Da gibt es an unserer ansonsten sehr schönen Website noch einiges zu verbessern. Demnächst wird das hoffentlich wie alles andere von unserer seit zehn Jahren unermüdlichen Auslieferung, der LKG, in die Hände genommen.

Wird es in Zukunft noch ein Publikum für Ihr Verlagsprogramm geben?

Für Verlage, die sich konsequent ein klar umrissenes Programmfeld wählen, schöne, sammleraffine Bücher und nicht zu viel davon machen auf jeden Fall. Und wenn die Schulen dafür sorgen, dass Kinder weiterhin Lesen und schreiben lernen, Kenntnisse im verantwortungsbewussten Miteinander erwerben und nicht vergessen, was Literatur und Bücher sind, dann auch.

Wie kann das gelingen?

Meine Fremdsprachenkenntnisse helfen mir auch bei dieser Frage: Ich lese einigermaßen regelmäßig das kolumbianische Nachrichtenmagazin „Semana“, eine Art kolumbianischer „Spiegel“. Dort wurde vor zwei Wochen gemeldet, dass der US-General John Kelly, der Chef des US-Armee-kommandos Süd, in der paraguayischen Hauptstadt Asunción eine Rede gehalten hat, in der er sagte, dass Kriege in erster Linie durch Erziehung, Bildung, Schule etc. vermieden werden – und nicht durch Waffen. Stellen Sie sich mal vor: Ein General der US-Army. Die bringt man doch eher mit anderen Vorstellungen in Verbindung. Es ist sehr bedauerlich, dass dieses Denken sich anscheinend immer noch nicht sehr verbreitet ist.

Wo sehen Sie sich in – sagen wir – fünf Jahren?

An Ort und Stelle, inshallah!

Sie sind Jahrgang 1950. Haben Sie noch nie über Ihre Nachfolge nachgedacht?

Nein. Und warum sollte ich?

Verraten Sie uns zum Schluss noch Ihren Lieblingstitel aus Ihrem Jubiläumsprogramm?

Claude Simons „Der Fisch als Kathedrale“ – wahrscheinlich das klügste Buch, das in diesem Verlag erschienen ist.

Die Fragen stellte Margit Lesemann

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