Runde Geburtstage Jürgen Kreuzhage (85)

Jürgen Kreuzhage: „Es war eine unglaubliche Chance, bei Bertelsmann zu wirken, ein Höhepunkt meiner Berufslaufbahn“

Jürgen Kreuzhage wird heute 85 Jahre alt. Aus diesem Anlass habe ich nachgefragt, was er macht und wie es ihm geht.  Seine Antwort ist nachdenklich und ehrlich:

„Ich komme nicht darum herum, wieder auf das Pandemie-Geschehen anzuspielen, das uns alle im zweiten Jahr in Atem hält.  Er, Dein Freund, dessen Alter plötzlich zum Risikofaktor geworden ist, versucht also wie viele andere zu überleben. Das aber bislang erfolgreich! Meine Frau Irène und ich haben uns im Mai 2020 auf unsere Latifundien in der Provence zurückgezogen, wo wir seitdem – frühzeitig zweifach geimpft – versuchen, uns vor dem anbrandenden chinesischen Virus in Acht zu nehmen. Das erfordert hier wie überall u.a. eine deutliche Reduzierung sozialer Kontakte mit allen bekannten Folgeerscheinungen, was nun freilich im hiesigen Ambiente leichter als anderswo zu ertragen ist. Das schöne Umfeld gleicht vieles aus; wir wissen einmal mehr, welches Paradies unsere Wahlheimat für uns darstellt.

Von hier aus betrachten wir das Weltgeschehen um uns herum, nehmen daran – so gut es geht –  teil und erinnern uns an alte Zeiten, an Freunde in aller Welt, mit denen wir dank der modernen Technik kommunikativ in Kontakt bleiben können. Da wir beide beruflich mit Verlag und Buchhandel zu tun hatten, schliesst es ein, das Geschehen in der Branche zu verfolgen und zu bewerten.

Die aktive Beteiligung daran liegt nun schon viele Jahre zurück; manches, was heute die Gemüter bewegt, ist mir gelegentlich fremd bis unbekannt und ich vermute sicher zu Recht, dass mitreden zu wollen, gar eine Rückkehr in den Beruf anzustreben, umfangreiche Studien erforderlich machen würde. Man müsste sich noch einmal in die Lehre begeben. Mit erneut unbekanntem Ausgang. Trotzdem versucht man, am Ball zu bleiben, und in aller Regel weiss man doch cum grano salis, worum es geht und was wirklich wichtig ist. Vor diesem Hintergrund bleibt nicht aus, das eigenen Handeln im Rückblick zu bewerten, die eigene Bedeutung im Berufsleben kritisch zu beurteilen. Was war gut? Und was hätte man vielleicht anders, besser machen können, sollen?

Derartiges geschieht eigentlich immer wieder, geradezu instinktiv; da braucht es  keine zweifelnde Nachfrage etwa eines Journalisten. Man weiss, wer man war, was die eigene Bedeutung ausmachte, wo und warum man erfolgreich war oder eben auch nicht oder was man richtig gemacht hat oder deutlich falsch. Sich selbst im Spiegel betrachten; niemand kann sich dann etwas anderes als ein zwar subjektives, aber auch notwendig ehrliches Bild machen. Keine Angst: ich werde das jetzt nicht hier ausbreiten. Wenn nötig, mögen das andere tun.

Nur so viel: Meine Erinnerung an die eigene Arbeit ist im Schwerpunkt eine erfreuliche. Ich verdanke dem Beruf viele glückliche Tage, tolle Begegnungen mit grossartigen Menschen, Freundschaften. Nicht zuletzt hat er mich und meine Familie gut ernährt und mir das gestattet, was man ein zufriedenstellendes Leben nennt. Für all das bin ich dankbar.

Eine Ausnahme will ich doch machen und mich zu einem Teil meines Berufslebens äussern. Dazu angeregt hat mich die kürzliche Berichterstattung in den Medien über Reinhard Mohn und seine Frau Liz. Er wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden und sie hat eben die Weichen bei Bertelsmann neu gestellt, als sie 80 wurde. Beides grossartige Menschen; die Zeit, die ich in der Firma arbeiten konnte, im Wesentlichen voller positiver Erinnerungen. Dabei waren das noch die Jahre, als die Branche sehr kritisch auf das „Haus“ und seine Mitarbeiter schaute. Als bekannt wurde, dass ich dort engagiert worden war, sagte mir bei einer Begegnung der Stuttgarter Verleger Reclam „Nun auch Sie, Herr Kreuzhage?!“ Und es war klar, dass er das nicht anerkennend meinte. In Wahrheit war es aber eine unglaubliche Chance, dort zu wirken. Ein Höhepunkt meiner Berufslaufbahn. Inzwischen ist das Verhältnis von Bertelsmann zu den anderen Branchenteilnehmern wohl auch deutlich entspannter.

Soviel zu der Vergangenheit. Die Gegenwart ist geprägt durch die Last der Jahre, die man auf den Schultern trägt. Die Alterswehwehchen bleiben nicht aus, die Sprünge, die man noch machen kann, werden immer kürzer. Das muss jeder für sich selbst erfahren, das lässt sich nicht vermeiden.

Insofern kann man sich für die Zukunft nur wünschen, dass in der noch vor einem liegenden Zeit die Annehmlichkeiten überwiegen mögen, der Kopf weiter klar bleiben und dass der Schlussakkord kurz und ohne Dramatik verlaufen möge. Aber auch das liegt in der Hand des Schöpfers.

PS: Aber was macht er denn nun wirklich dieser Tage, der Kreuzhage? Überleben ist zwar wichtig, aber ja eigentlich alleine keine ausfüllende Beschäftigung.

Also: er verbringt wie viele andere auch seine Tage nach der aktiven Berufszeit im Wesentlichen mit einer Vielzahl von kleinen, teilweise auch unbedeutenden Aufgaben, die u.a. die Pflege, der Unterhalt und die Nutzung eines ländlichen Anwesens mit sich bringen. Dabei greifen wir oft auf die Hilfe von Mitarbeitern zurück, denn die schon erwähnten Jahre lasten nicht nur auf einem, sondern behindern, ja verhindern oft eigene Aktion. Kurz: die Kräfte reichen nicht mehr aus.

Für eine andere Tätigkeit reichen sie noch, Gott sei es gedankt. Die Beschäftigung mit den tagespolitischen Ereignissen in den beiden Ländern, denen wir verbunden sind, ist zwar zeitaufwendig, gleichzeitig aber auch sehr ergiebig. Man glaubt garnicht, wie unterschiedlich die beiden Demokratien Frankreich und Deutschland tatsächlich organisiert sind. Da etwas dahinter zu steigen, Gründe zu finden, warum was wie gemacht wird, Vor- und Nachteile aufzuspüren, die geschichtlichen Vorgänge zu recherchieren, das aktuelle Geschehen zu verfolgen – sehr interessant, sehr befriedigend. Die Nutzung der Medien, vor allem in ihren modernen Formen macht es möglich, auch auf dem flachen Land. Die Pandemie hat das Angebot noch zusätzlich erhöht, eine der  wenigen positiven Begleiterscheinigungen dieser Geisel. 

Kontakt: jkreuzhage@free.fr

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