Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Andrea Ludorf?

Seit dem 6. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2021 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet Andrea Ludorf (Geschäftsführerin DUSSMANN  – Das Kulturkaufhaus) unseren „anderen“ Fragebogen:

Andrea Ludorf: „Wir alle sollten nicht müde werden, unseren Kund:innen den Wert der Buchpreisbindung zu erklären. Wir sichern mit der flächendeckenden Versorgung mit Büchern, auch den digitalen, nicht nur unsere eigene berufliche Existenz. Wir leisten einen wertvollen Beitrag zu Bildung und Demokratie in diesem Land. Und dass das das eine wichtige Aufgabe ist, zeigen uns die gesellschaftlichen Debatten derzeit zur Genüge“ (c) Jan Welchering

 

Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?

Beruflich war der beste Tag der 2. November 2020. An diesem Tag sind wir mit unserem neuen Onlineshop live gegangen (www.kulturkaufhaus.de). Damit haben wir nach viel harter Arbeit an unserem Warenwirtschaftssystem endlich alle unsere Sortimente, insbesondere Noten, Musik und Film, online verfügbar gemacht. Das war ein wirklicher Meilenstein in der strategischen Weiterentwicklung des KulturKaufhauses.

Worüber haben Sie sich 2020 am meisten geärgert?

Am meisten geärgert hat mich, dass unsere wichtigen strategischen Ziele – der Ausbau des eCommerce und die Intensivierung des Firmenkundengeschäfts – beim Lockdown im März noch nicht am Start waren. Deshalb hat mich der Go-Live des Shops im November auch so gefreut: wieder ein Lockdown, aber diesmal mit funktionierendem Onlineshop, Podcast, KulturKurier, Live-Streams und digitaler Geschenkeberatung. Das tröstet einen nicht über alle Umsatzverluste hinweg, aber wir können die Themen Lieferung, Click & Collect usw. viel effizienter abwickeln als noch im Frühjahr.

Was war 2020 Ihr schönster Erfolg?

Der schönste Erfolg war der Start unserer KulturManufaktur, eine Erlebnisfläche mit einem analogen Tonstudio und einer Druckwerkstatt im Verkaufsraum. Im Frühjahr haben wir außerdem in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe ein Führungsleitbild für unsere Mitarbeiter:innen entwickelt. Das war ein wichtiger Meilenstein in der Unternehmenskultur unserer Hauses. Das Führungsleitbild war das erste Druckerzeugnis, das wir in der DruckManufaktur auf unserer eigenen historischen Druckmaschine produziert haben. Das Heft ist handgenäht mit einem roten Faden(!) als Bindung und wird künftig allen Mitarbeiter:innen ausgehändigt, die bei uns anfangen. Die KulturManufaktur , zu der auch eine Vinyl-Plattenschneidemaschine für Endkunden gehört, ist ein tolles Projekt, das uns noch viel Freude bereiten wird. Und die Vorstellung des Führungsleitbilds war noch dazu ein schöner symbolischer Moment für das Miteinander und den kulturellen Wandel im KulturKaufhaus.

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Mein traurigster Misserfolg war die vorsorgliche Schließung des KulturKaufhauses beim Lockdown im März: Nach der Verordnung des Berliner Senats hätten wir zwar weiterhin geöffnet bleiben können, aber angesichts der niedrigen Kundenfrequenz und der Sorge bei Mitarbeiter:innen war dieser verantwortungsvolle Schritt der richtige. Die geschockten Kolleg:innen und eine menschenleere Verkaufsfläche von 7.500qm … Das war wirklich ein trauriger und verstörender Anblick.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Das ist eine schwierige Frage, denn in diesem Jahr haben wir in der Branche wirklich sehr viele tolle Initiativen gesehen. Was mich gerade sehr begeistert, weil die Werbung einem auf allen Kanälen begegnet, ist der Erfolg von BookBeat. Genauso wie der Tolino es vor einigen Jahren geschafft hat, ist auch BookBeat ein mutiger Ansatz aus dem europäischen Kontext, der sich der ewigen Dauerpräsenz von Amazon (Audible) mit geballter Entschlossenheit, gutem Marketing und einem überzeugenden Kunden-Konzept in den Weg stellt. Das Geschäftsmodell wird von den deutschsprachigen Verlagen durch den Verkauf von Hörbuch-Lizenzen auf breiter Linie unterstützt. – Der Erfolg von BookBeat zeigt uns allen, dass es möglich ist mit spannenden Digitalisierungskonzepten in den Markt einzutreten, und dass auch alteingesessene Firmen, wie Bonnier Media in diesem Fall, der Innovation den Weg bereiten können. Das macht Mut und sollte unser aller Solidarität und Unterstützung finden.

Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?

Ich möchte keine Diskussionen mehr über eine Frauenquote lesen. Ich möchte dafür mehr über erfolgreiche Frauen lesen.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Ich möchte zukünftig mehr lesen über Initiativen, die Mut machen und die uns zeigen, dass gesellschaftliche Veränderung möglich ist. Verena Pausder ist eine solche Frau, über die ich gerne mehr lesen möchte. Sie ist Gründerin und Bestsellerautorin von „Das neue Land“. Wir hatten eine tolle, digitale Veranstaltung mit ihr und dem Bundestagsabgeordneten Danyal Bayas (Die Grünen). Es ging um die Frage, was man parteiübergreifend anpacken müsste, um Digitalisierungsprojekte erfolgreich an den Start zu bringen. Der Tatendrang der beiden hat einen regelrecht angesteckt. Von dieser Art „Ansteckung“ brauchen wir eindeutig mehr!

Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Ich möchte zufriedener sein mit dem, was ich geschafft habe und den Menschen in meiner Umgebung, angefangen bei meiner Familie, noch mehr Anerkennung geben.

Und welchen Fehler werden  Sie trotzdem wiederholen?

Ich werde mal wieder viel zu viele Themen auf die Agenda geschrieben haben, was die Sache mit der Zufriedenheit und der Anerkennung echt kompliziert macht.

Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

„Tiere“ von Dorling Kindersley. Ich habe das Buch meinem 6-jährigen Sohn vorgelesen. Wir haben beide ungemein viel gelernt. Es ist für Kinder verständlich geschrieben und auch für Erwachsene spannend zu lesen. Ein echter Geschenke-Tipp für Weihnachten!

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Das wird wahrscheinlich „Life Code“ von Hans-Georg Häusel (Haufe Verlag) sein. Es vereint 30 Jahre Hirnforschung spannend erklärt und ist mit der Limbic-Methode sicherlich ein Grundlagenwerk für kundenzentriertes Marketing. Damit möchten wir uns im KulturKaufhaus 2021 intensiver beschäftigen. – Siehe auch Frage 9. ;-)

Von wem würden Sie gern auch mal  die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Sandra Dittert, Kathrin Rüstig

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?

Ist die Buchpreisbindung eigentlich noch zeitgemäß?

Hier können Sie die auch beantworten:

Noch im letzten Jahr hätte ich bei dieser Frage etwas unsicher argumentiert. Denn die ursprüngliche Idee der Buchpreisbindung, Literatur und Bildung durch einheitliche Preise allen Menschen flächendeckend zur Verfügung stellen zu können, scheint in den Hochzeiten des eCommerce ja nicht mehr ganz zeitgemäß, oder? In diesem Jahr haben wir aber erlebt, was passieren würde, wenn wir die flächendeckende Versorgung mit Literatur einem Marktführer im eCommerce überlassen würden: Ohne mit der Wimper zu zucken, wurden in diesem Frühjahr margenschwache Artikel wie Bücher gegen Klopapier und Desinfektionsmittel ausgetauscht – zum Leitwesen vieler Autoren und Verlage. Deshalb sollten wir alle nicht müde werden, unseren Kund:innen den Wert der Buchpreisbindung zu erklären. Wir sichern mit der flächendeckenden Versorgung mit Büchern, auch den digitalen, nicht nur unsere eigene berufliche Existenz. Wir leisten einen wertvollen Beitrag zu Bildung und Demokratie in diesem Land. Und dass das das eine wichtige Aufgabe ist, zeigen uns die gesellschaftlichen Debatten derzeit zur Genüge.

Gestern antwortete Rainer Moritz, morgen fragen wir  Simon Decot.

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