Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Else Laudan?

Seit dem 06. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2020 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“.  Heute beantwortet Else Laudan, im Argument Verlag veratwortlich für PR und Programm, unseren „anderen“ Fragebogen:

Else Laudan: „Wir brauchenVeränderungen in der Schullektüre: Erstens müssen gerade in der Oberstufe mehr Literaturformen gelesen werden, die mutig, widersprüchlich, rasant, welthaltig und spannend von Konflikten, Problemen, Gewalt und Ausgrenzung handeln, um junge Menschen zu packen, neugieriger zu machen und für die Gestaltung von Gesellschaft zu mobilisieren. Und zweitens brauchen wir sofort eine Quote für Diversity, sprich, die noch immer vorherrschende weiße und männliche Perspektive darf nur noch ein Drittel der Lektüren ausmachen. Das könnte einiges in Bewegung bringen – im besten Sinne“

Welcher Tag war Ihr schönster diesem Jahr?

Der erste September, als mein Sohn auf eigene Initiave bei mir eine Lehre angefangen hat.

Worüber haben Sie sich 2019 am meisten geärgert?

Über die Post, die uns allen das Leben noch schwerer macht, indem sie skrupellosen Raffkonzernen Sonderpreise einräumt und Büchersendungen abschafft (Ausland) oder reduziert und verteuert (Inland). Merken die denn gar nichts?

Was war 2019 Ihr schönster Erfolg?

Oh, da gab es gleich mehrere schönste! Der Radio Bremen Krimipreis für die große LIZA CODY, live dabei, und dann dass alle unsere Ariadne-Titel im ganzen Jahr, sogar die bis dato völlig unbekannte Tawni O’Dell (WENN ENGEL BRENNEN), und sogar auch das schräge hochpolitische TRÜB von Sarah Schulman, es auf die Krimibestenliste geschafft und grandiose Superkritiken bekommen haben, und zuletzt auch noch der Deutsche Krimipreis für Hannelore Cayre und Denise Mina – so viel Freude!

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Ein furchtbar hässlicher Zoff mit einer neuen Übersetzerin, sodass die erste Zusammenarbeit ein Fiasko und auch gleich die letzte wurde, obwohl wir eigentlich beide sehr engagiert waren und das Buch liebten.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Ehrlich, ich liebe alle engagierten Buchhandlungen, jede einzelne (und ja, wir schicken jederzeit gern ein Leseexemplar!) – also vielleicht hat der Buchladen Osterstraße (in Hamburg Eimsbüttel) einen klitzekleinen Vorsprung, aber das ist auch die engste Zusammenarbeit, und dann nicht zu vergessen das Hammett (Berlin), und dann, und dann, und dann …

Mein liebster Verlag – neben unserem eigenen kleinen natürlich  – ist genauso schwer zu benennen, weil es so viele tolle unabhängige Verlage gibt, die ich heiß und innig liebe, am allerliebsten ist mir wohl Culturbooks, soo tolle Bücher, aber ultradicht gefolgt von Pulp Master, Liebeskind, Aviva, Alexander, Verbrecher, Nautilus, Edition 5 und und und …

Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?

Von weiteren Lagerverkleinerungen bei Zwischenhändlern. Ob Barsortimente oder Auslieferungen – der Sinn und Existenzgrund dieser Struktur ist, dass Menschen an all die Bücher herankommen, in die andere Arbeit und Herzblut gesteckt haben, damit sie alle weiter gelesen werden können. Wenn Zwischenhändler diesen Job nicht mehr machen wollen, sollen sie doch Präservative verkaufen.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Über gute, vielfältige, gerne auch aufklärerische Kultur und wie sie besser unterstützt und verbreitet werden kann, damit wir die Gesellschaft gemeinsam besser machen können.

Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Die Planung so knapp zu stricken, dass wir praktisch rund um die Uhr ackern müssen, um es zu schaffen. Passiert mir nach 30 Jahren immer noch, immer wieder.

Und welchen Fehler werden  Sie trotzdem wiederholen?

Mich total zu überarbeiten. Mach ich ganz bestimmt wieder. (Möchte jemand, dass ich komme und vorlese oder etwas erzähle? Immer gern …)

Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

Liza Codys „Ballade einer vergessenen Toten“, weil es so facettenreich ist, und Denise Minas „Klare Sache“, weil es so eine überschäumende sinnliche freche Rundumschlagqualität hat, wie man sie bei dieser ernsten hart-klugen Autorin spontan so nicht erwartet hätte.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Bei mir gibt es nie, nie, nie nur eins – also ganz besonders wichtig werden ALTLASTEN von unserer Grande Dame Sara Paretsky, aber auch die nächste Denise Mina im Herbst, und – ganz andere Baustelle, gerade frisch lektoriert – die Erinnerungen des Cultural Studies-Mitbegründers Stuart Hall: VERTRAUTER FREMDER, so eine geniale Verknüpfung von Leben und Theorie! Und Manotti soll ja auch bald was liefern …

Von wem würden Sie gern auch mal  die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Von Jan Karsten und Zoë Beck von Culturbooks, von den drei Katharinas und Franziska von Nautilus, von Britta Jürgs (Aviva) und von Silke Weniger (Agentin und Verlegerin), und von allen ganz besonders ihre Antwort auf die 13. und 14. Frage.

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben,  hätten Sie gern beantwortet?

Welche Veränderung in der Schullektüre wir 2020 ganz dringend brauchen, damit die nächsten Generationen genug lesen, genug Fragen stellen, genug Interesse entwickeln können, um Gesellschaft gemeinsam zu machen.

Hier können Sie die auch beantworten:

Hier können Sie die auch beantworten:

Wir brauchen 2020 zwei Veränderungen in der Schullektüre: Erstens müssen gerade in der Oberstufe mehr Literaturformen gelesen werden, die mutig, widersprüchlich, rasant, welthaltig und spannend von Konflikten, Problemen, Gewalt und Ausgrenzung handeln, um junge Menschen zu packen, neugieriger zu machen und für die Gestaltung von Gesellschaft zu mobilisieren – kurz, gute politische Kriminalliteratur aus der ganzen Welt und wilde Romane und Erzählungen voller aktueller Konflikte. Und zweitens brauchen wir sofort eine Quote für Diversity, sprich, die noch immer vorherrschende weiße und männliche Perspektive darf nur noch ein Drittel der Lektüren ausmachen. Das könnte einiges in Bewegung bringen – im besten Sinne!

Gestern antwortete Felix Wegener auf unseren „anderen“ Fragebogen, morgen befragen wir Josef Schaaf

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