Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Peter Graf?

Seit dem 6. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2022 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet der Verleger Peter Graf unseren „anderen“ Fragebogen:

Peter Graf: „Im neuen Jahr wünsche ich mir ganz allgemein weniger Aggressivität, mehr Zugewandtheit und größere Gelassenheit. Ich habe oft das Gefühl, die Stimmung ist schlechter als die Lage“

Welcher Tag war Ihr schönster im letzten Jahr?

Ich habe mehr Zeit mit meinen Geschwistern verbracht. Eine Motorradtour mit meinem ältesten Bruder und Wanderungen an der Ostsee mit meinen beiden anderen Brüdern gehören für mich mit zu den schönsten Tagen des zur Neige gehenden Jahres.

Worüber haben Sie sich 2021 am meisten geärgert?

Ich ärgere mich nicht häufig und selten heftig. Ich bin nicht bereit, diesem Gefühl viel Raum zu geben. Auch gegenüber eigenen Dummheiten fällt mein Urteil meist milde aus.

Was war 2021 Ihr schönster Erfolg?

Es ist für den Verlag Das Kulturelle Gedächtnis das bisher umsatzstärkste Jahr seit Bestehen. Dazu kam der Deutsche Verlagspreis und der Berliner Verlagspreis. 

Ansonsten freue ich mich immer noch über den weltweiten Erfolg von Ulrich Alexander Boschwitz Roman Der Reisende und über die ein oder andere Wiederentdeckung, die Aufmerksamkeit erregte.

Und Ihr traurigster Misserfolg war …?

Ulrich Faure und ich haben bei Klett Cotta dieses Jahr in zwei Bänden die zwischen 1933 und 1945 entstandenen Tagebücher des Berliner Bibliothekars, Übersetzers und Literaturkritikers Hermann Stresau herausgegeben. Für mich ist das ein bedeutendes und wichtiges Zeitdokument, das mehr Leser*Innen und mehr Beachtung verdient hat. Aber vielleicht kommt das ja noch.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag im letzten Jahr?

Es fällt mir leichter, eine Buchhandlung zu nennen, die mich begeistert, als unter den vielen großartigen Verlagen im deutschsprachigen Raum einen besonders herauszustellen. Wie viele buchbegeisterte Menschen in Berlin finde auch ich den Bücherbogen am Savigyplatz herausragend. Und ich teile uneingeschränkt das häufige Lob, das Sebastian Guggolz für seine verlegerische Arbeit erhält.

Von welchem Thema wollen Sie im neuen Jahr nichts mehr lesen?

Ich wünsche mir ganz allgemein weniger Aggressivität, mehr Zugewandtheit und größere Gelassenheit. Ich habe oft das Gefühl, die Stimmung ist schlechter als die Lage.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Erfolgsgeschichten über eine großartige Leipziger und Frankfurter Buchmesse 2022 würden mir sehr gefallen. 

Es ist wichtig, dass diese beiden für unsere Branche so bedeutenden Großereignisse ihre Strahlkraft erhalten.

Welchen Fehler aus dem letzten Jahr möchten Sie im neuen Jahr vermeiden?

Ich beobachte an mir zu viele Routinen und zu wenig Neugier und Abenteuerlust. Ein bisschen mehr Ü-50-Spektakel wäre ganz schön.

Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?

Routinen können einen ja so ungemein beruhigen …

Welches Buch hat Ihnen im letzten Jahr besonders viel Freude gemacht?

Aus dem eigenen Verlag: John Clares‘ Naturlyrik aus dem 19. Jahrhundert. A Language That Is Ever Green heißt der zweisprachige, von Manfred Pfister übersetzte und herausgegebene Band, den ich empfehlen möchte.

Und ich lese derzeit das vierbändige bei Wallstein herausgegebene Werk Berlin wird Berlin, von Alfred Kerr, lerne dabei überaus viel über die alte Reichshauptstadt und ihren Aufstieg zur Weltmetropole und erfreue mich an Kerrs großartigem Stil. 

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Vermutlich handelt es sich dabei um einen widerentdeckten, noch nie erschienenen Roman aus den 1930er-Jahren. Er stammt aus der Feder eines nach Brasilen emigrierten Berliner Juden. Derzeit wird das Manuskript mit Hilfe der Literaturagentur Gaeb international angeboten, und ich bin sehr gespannt, wo ich das Buch letztendlich herausgeben werde. 

Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Hat Dincer Gücyeter vom Elif Verlag den Fragebogen schon einmal beantwortet? Ich schätze seine Arbeit sehr und es würde mich interessieren, welche Antworten und Buchempfehlungen er geben würde.

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?

Welche Klassiker wollten Sie immer schon lesen und haben es doch nie gemacht?

Hier können Sie die auch beantworten:

Beispielsweise:  Ovid:  Metamorphosen,  Leo Tolstoi: Anna Karenina.

Gestern beantwortete Manuel Knemöller unseren „anderen“ Fragebogen, morgen fragen wir Wibke Ladwig.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert