Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Thomas Rathnow?

Seit dem 6. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2022 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet Penguin Random House-CEO Thomas Rathnow unseren „anderen“ Fragebogen:

Thomas Rathnow: „Ich hoffe, dass die politische Berichterstattung und Kommentierung wegkommt von der ständigen Trivialisierung politischen Handelns durch Personalisierung, Psychologisierung und bloße Fokussierung auf gute Absichten“

Welcher Tag war Ihr schönster im letzten  Jahr?

Es gab zwei Tage, die mir spontan einfallen: der Tag, an dem wir den Zuschlag bekamen, Topp Frech in die Penguin Random House Verlagsgruppe aufnehmen zu können. Und der Tag, an dem ich erfuhr, dass der BuchMarkt Regina Kammerer als Verlegerin des Jahres auszeichnet.

Worüber haben Sie sich 2021 am meisten geärgert?

Ich neige dazu, Ärger ziemlich schnell zu vergessen. 

Was war 2021 Ihr schönster Erfolg?

Seit nunmehr fünf Jahren erscheinen deutschsprachige Bücher unter dem Namen Penguin. Und im Jubiläumsjahr 2021 ist neben der Penguin Edition auch der Kinderbuchverlag Penguin Junior an den Start gegangen. Das ist ein Erfolg, der sich dem Engagement und der Begeisterung vieler Einzelner und ihrer Teams verdankt – und darüber habe ich mich gefreut.

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Im Verlagsalltag misslingt ja vieles. Für viele Autor*innen wünscht man sich ein größeres Publikum, nicht alle Bücher, auf die wir bieten, landen wirklich bei uns, viele Veränderungen und Verbesserungen, an denen wir arbeiten, gehen langsamer voran als erhofft. Und dennoch: Solange die Menschen lesen und ihr Leben durch Bücher aller Art lebenswerter machen, ist mir weder um die Zukunft unserer Verlage noch um die der Branche bange.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag im letzten Jahr?

Buchhandlungen verbinden im Idealfall auf ganz individuelle Weise Kultur und Kommerz zum Nutzen von Leser*innen, Autor*innen und Verlagen. Stellvertretend für die vielen passionierten Buchhändler*innen im Land, ob sie nun für größere Filialisten arbeiten oder in kleinen unabhängigen Geschäften, auf dem Land oder in der Stadt, online oder offline möchte ich als meine Buchhandlung des Jahres den Media-Store in unserem Verlagsgebäude in München nennen. Birgit Westermann und ihr Team bieten den Mitarbeiter*innen unseres Hauses ein wunderbares Sortiment, das weit über die Titel der Verlagsgruppe hinausgeht, sind beratungs- und servicestark, und tragen auch zum Gelingen unseres jährlichen lit.Love-Festivals bei.

Von welchem Thema wollen Sie im neuen Jahr nichts mehr lesen?

Da wir es im neuen Jahr mit dem Aufbruch einer neuen Bundesregierung zu tun haben, will ich mir hier mal kurz und folgenlos wünschen, dass die politische Berichterstattung und Kommentierung wegkommt von der ständigen Trivialisierung politischen Handelns durch Personalisierung, Psychologisierung und bloße Fokussierung auf gute Absichten.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Für die Branchenpresse erträume ich mir in vorweihnachtlicher Harmoniesehnsucht folgende Schlagzeile: „Der Börsenverein hat’s geschafft! Verlage, Sortiments- und Zwischenbuchhandel finden zusammen. Preisbindung und Wettbewerb zugleich gesichert! Die Branche hat erkannt, dass Klein versus Groß ein selbstzerstörerisches Narrativ ist und zieht konstruktive Konsequenzen zum Wohl von Autor*innen und Leser*innen!“ Ach ja.  

Welchen Fehler aus dem letzten Jahr möchten Sie im neuen Jahr vermeiden?

Zu vieles gleichzeitig angehen, lösen, verändern zu wollen.

Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?

Zu wenig zu schlafen. 

Welches Buch hat Ihnen im letzten Jahr besonders viel Freude gemacht?

Die Lektüren eines Jahres auf ein einziges Buch zusammenschnurren zu lassen, dieser Zumutung setzt man sich nur für BuchMarkt aus: Martin Mittelmeiers in diesem Herbst unter dem Titel Freiheit und Finsternis bei Siedler erschienene Entstehungs- und Wirkungsgeschichte von Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung hat mich gefesselt. Besonders beeindruckend: die Leichtigkeit, die unaufdringliche Klugheit, mit der mein Ex-Kollege schwere philosophisch-politische und lebensweltliche Fragen zur Darstellung bringt.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Besonders freue ich mich auf Der Markisenmann, den neuen Roman von Jan Weiler, der im März in Weilers neuer Verlagsheimat Heyne erscheint. 

Von wem würden Sie gern auch mal  die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Von Bettina Breitling, die sich in diesem Jahr ihren Traum von der Selbstständigkeit erfüllt hat und nun als Agentin so unverschämt zufrieden wirkt, dass man ins Grübeln kommt. 

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?

Sie haben doch genug zu tun, warum engagieren Sie sich im Vorstand der Stiftung Lesen?

Hier können Sie die auch beantworten:

Weil es kaum etwas Wichtigeres gibt als Leseförderung! Nicht weil die Zukunft der Verlage davon abhinge, sondern weil das Lesevermögen für die Lebensqualität jedes Einzelnen und die einer zivilisierten Gesellschaft eine Grundvoraussetzung darstellt. Ich hoffe, dass sich bald noch mehr Unternehmen und Organisationen finden, die bereit sind, die Arbeit der Stiftung aktiv zu unterstützen. Auch aus der Buchbranche!

Gestern beantwortete Jürgen Welte unseren „anderen“ Fragebogen, morgen fragen wir Manuel Knemöller.

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