Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Julia und Simone Graff?

Seit dem 6. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2020 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantworten die Schwestern Julia und Simone Graff (Hädecke Verlag) unseren „anderen“ Fragebogen:

Julia und Simone Gaff: „Mehr lesen würden wir gern über Kollegialität, über unabhängige Buchhandlungen, die künftig noch mehr unabhängige Verlage im Sortiment präsentieren und über eine ungewöhnliche und aufsehenerregende Branchenkampagne“ (v.l.)

Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?

Julia: Keine Überraschung, in beruflicher Hinsicht der 18.10.2019, Buchmessefreitag. Aus privater Sicht einer der schönsten: Samstag, 23.11.2019, da wurde meine Küche nach einem Jahr „Kochen auf 1 Platte“ endlich mit ein paar versierten Freunden installiert. Simone: Ganz klar, die Preisverleihung (s.o.). Privat: Mit über 100 anderen Sängerinnen und Sängern sowie großem Orchester in der Philharmonie in Berlin am 18.4. im Chor Mozarts Requiem und Mahlers 2. Symphonie singen zu dürfen.

Worüber haben Sie sich 2019 am meisten geärgert?

Julia: Über die wenige Zeit, die mir für meine Wochenendbeziehung blieb. Simone: Darüber lohnt es keine weitere Zeile…

Was war 2019 Ihr schönster Erfolg?

Julia: Die diversen Auszeichnungen, die Hädecke in diesem Jahr zuteil wurden, und ein Auftritt vor knapp 1000 Leuten meiner Band „Stereometria“ beim örtlichen „Lukullischen Herbst“. Simone: Die diversen Würdigungen unserer aller Arbeit hier im Verlag.

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Julia: Das Geschäftsergebnis trotz dieser vielen Auszeichnungen nicht steigern zu können, da diese leider kaum bis keinerlei Auswirkung auf das Einkaufsverhalten im Buchhandel nach sich ziehen. Simone: Wie bei Schwestern manchmal üblich, schließe ich mich den Worten von Julia an.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Julia: Die schönste Fangfrage, man kann sie ja gar nicht beantworten. Auf unserer Tour sind wir in so vielen schönen und liebevoll gehegten und gepflegten Buchhandlungen zu Gast gewesen, dass wir vor allem in Erinnerung behalten haben, dass genau die erfolgreich und gut besucht sind, die mit Freude verkaufen und jede Ecke der Buchhandlung individuell füllen. Eine Mischung aus dem, was die Kunden erwarten und sie überrascht. Baulich betrachtet ist sicher die Buchhandlung Taube in Marbach, untergebracht in einer alten Kapelle, ein ganz besonderes Erlebnis. Meine liebsten Verlage: Alle mit dem Verlagspreis ausgezeichneten, die uns mit stehenden Ovationen nach der Preisverleihung beglückwünscht haben. Simone: Wenn’s schon eine gut gesagt hat, muss man sich nicht wiederholen…

Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?

Julia: Von den Bemühungen diverser Regierungen, etwas gegen den Klimawandel tun zu wollen – der unserer bescheidenen Meinung nach eine Krise und kein Wandel ist. Ohne klare Gesetzgebung und internationalen Schulterschluss wird es keine Veränderung geben. Und auf zusätzlich heiße Luft sollte man in diesem Zusammenhang sowieso verzichten. Mindestens genauso wenig will ich im kommenden Jahr etwas über Nazis lesen, die vehement verneinen, dass sie welche sind, oder über Leute, die nicht erkennen wollen, dass es welche sind. Warum, dürfte jedem klar sein. Simone: Auch hier, s.o. – und vom Leser-„Schwund“ oder dem nicht mehr verkäuflichen Kochbuch. Denn beides stimmt so vereinfacht dargestellt überhaupt nicht und bringt auch unsere Branche kein Stück weiter.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Julia: Über Hilfsbereitschaft, soziale Gerechtigkeit und technische Entwicklungen, die die Menschheit wirklich weiterbringen. Eine neues Handy, dass auch fliegen kann, gehört da z.B. nicht dazu. Und im Branchenkontext: Über Kollegialität, über unabhängige Buchhandlungen, die künftig noch mehr unabhängige Verlage im Sortiment präsentieren, um so der Auslistung etwas entgegenzuwirken, und über eine ungewöhnliche und aufsehenerregende Branchenkampagne. Simone: Da bin ich mit Julia mal wieder einer Meinung…

Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Julia: Zu wenig Musik zu machen und zu wenig Zeit mit interessanten und lieben Menschen zu verbringen. Simone: So zu tun, als gäb’s mich zweimal.

Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?

Julia: Aus 24 36 Stunden machen zu wollen. Simone: Genau, oder gerne auch mal 48 Stunden.

Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

Julia: Da verhält es sich ja so wie mit den Lieblingsbuchhandlungen, eine nicht bis kaum zu beantwortende Frage. Besondere Freude hatte ich unter  anderem mit Rezepten aus Büchern, die ich bei #occupykitchen nachgekocht habe, zum Beispiel aus Ducasse Nature II, Miso, Meze, Washoku (und zum Abschluss einen Irish Whiskey). In freudiger Erinnerung sind nach wie vor die beiden Bücher, die ich gemeinsam mit den Autoren zum ersten Mal im Rahmen der Gourmet Gallery in der Küche und auf der Bühne präsentieren durfte: Loretta und Tofu.
Simone: Würde ich einen Titel besonders herausgreifen, würde das nicht den Tatsachen entsprechen. Ich schätze sie alle, denn das haben AutorInnen, FotografInnen und Themen auch verdient. Klcken Sie doch mal auf unserer Webseite herum, dann verstehen Sie das.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Julia: Noch ist die Vorschau nicht ganz fertig, aber die wichtigsten Bücher sind die, die unbedingt das Licht der Genusswelt erblicken sollen und den Lesern neue Geschmackswelten offenbaren. Da mache ich im Programm auch keinen Unterschied zwischen Novitäten oder Backlisttiteln. Simone: Wir arbeiten dran, dass alle wichtig sind!

Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Julia:  Von der Verlegerin des Jahres 2020. Simone: Ganz genau!

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?

Julia:  Welche Konzerte ich in diesem Jahr besucht habe. Simone: Welches waren die wichtigsten Menschen für mich im vergangenen Jahr.

Hier können Sie die auch beantworten:

Julia: Zu wenig, in bester Erinnerung blieben mir „Seats & Sounds“ von Long Distance Calling, diverse Konzerte mit Olivia Trummer, das Festival „Night of the Prog“ mit der deutschen Neo-Prog-Legende Chandelier auf der Freilichtbühne der Loreley, bei der mein Bandkollege von Elleven an den Keyboards mit dabei war und das Konzert der italienischen Band Chameleon Mime auf dem örtlichen Marktplatz. Simone: Neben unserer Familie, die auch in den schwierigen Momenten immer zusammenhielt, all jene im Kollegen-, Autoren-, Fotografen- und Freundeskreis, für deren Unterstützung in unruhigen Zeiten ich gar nicht genug danken kann.

Gestern antwortete Thomas Schmitz auf unseren anderen Fragebogen, morgen antwortet Carel Halff.

Kommentare (1)
  1. Allen so klug und offen beantworteten Fragen von Julia und Simone Graff stimme ich mit Hochachtung zu! Der Zusammenhalt und volle Einsatz der Familie Graff im Bestehen für ihren unabhängigen ist besonders zu betonen und war längst auszeichnungsreif! Zum Glück ist das auch dieses Jahr auch geschehen! Herzliche Gratulation!
    Der persönliche Kontakt zu den Autoren und dem Buchhandel, sowie die Interessen über den 48-Stunden-Tag hinnaus zeichnen die beiden Schwestern für menschenlichen Umgang sowieso aus! Danke!

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