Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Karsten Kredel?

Seit dem 6. Dezember 2016 (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2017 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“ Heute beantwortet Karsten Kredel, Verlagsleiter Hanser unseren „anderen“ Fragebogen:

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Karsten Kredel Foto: Jacobia Dahm

1. Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?

Jener Tag im Frühherbst, als die ersten Schritte meines Sohnes mich dazu brachten, den Verlag und den Rest der Welt kurz mal komplett zu vergessen.

2. Worüber haben Sie sich 2016 am meisten geärgert?

Es war politisch ein beängstigendes Jahr, in dem viele Gewissheiten erschüttert wurden. Und ich glaube, dass es wichtig ist, diese Erschütterung produktiv werden zu lassen, anstatt sich gleich wieder neue Gewissheit zuzulegen. Deshalb habe ich mich geärgert darüber, wie eilig es viele hatten, vermeintlich falsche linksliberale Ideale aufzugeben, als wären sie ihnen peinlich, nach dem Motto: Wie verblendet wir waren zu denken, wir müssten uns für die Freiheit und die Rechte von Minderheiten einsetzen.

3. Was war 2016 Ihr schönster Erfolg?

Rein zahlenmäßig gab es größere, aber: Dass wir so viele Leser für Mathias Enards wichtigen, großartigen Roman Kompass gefunden haben, ist wunderbar.

4. Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Der stammt eigentlich aus dem Vorjahr. Eines der schönsten, originellsten, traurigsten und schlicht besten Bücher der letzten Jahre ist Max Porters Trauer ist das Ding mit Federn. In einigen Ländern ist der Autor ein Star. Bei uns wird es mit Verzögerung hoffentlich auch noch gelingen.

5. Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Die Berliner Autorenbuchhandlung am Savignyplatz, niemand veranstaltet so liebevolle Abende. Und Ferlemann & Schatzer in Wilmersdorf: Eine solche Buchhandlung in der Nachbarschaft zu haben, macht das Leben besser. Für keinen Verlag habe ich mich 2016 mehr gefreut als für Suhrkamp. Der Erfolg von Elena Ferrante ist auch eine Erinnerung daran, wie viele Bücher dort Jahr für Jahr erscheinen, die man tatsächlich unbedingt lesen will.

6. Von welchem Thema wollen Sie (warum) im neuen Jahr nichts mehr lesen?

Als Lektor muss ich sagen: mich stören weniger bestimmte Themen als schlechte Texte.

7. Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Nach dem VG Wort-Urteil kann es gar nicht genug Geschichten darüber geben, wie viel von dem, was die Identität von Büchern ausmacht, innerhalb von Verlagen passiert.

8. Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Mir vorauseilend Sorgen zu machen, anstatt erst mal zu schauen.

9. Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?

Vermutlich werde ich mir wieder nicht mehr Zeit zum Lesen von Büchern nehmen, die keine Neuerscheinungen sind.

10. Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

Jörg Mühles Nur noch kurz die Ohren kraulen. Ich habe es etwa einhundert Mal vorgelesen und freue mich trotzdem noch jeden Abend darauf. Mein Sohn auch.

11. Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Eines, über das ich seit beinahe zwei Jahren nicht aufhören kann zu reden: Hanya Yanagiharas Roman Ein wenig Leben.

12. Von wem würden Sie auch gern mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Von Annette Anton, bei der ich vor vielen Jahren mein erstes Verlagspraktikum machte. Sie hat mich einfach mal machen lassen, und ohne diese Erfahrung wäre ich vermutlich ganz woanders gelandet. Und bis heute habe ich von niemanden in der Branche MEHR gelernt.

13. Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gerne beantwortet?

Wie läuft es bei Hanser zwischen München und Berlin?

14. Hier können Sie die auch beantworten:

Beglückend gut. Da ist so viel gegenseitiges Vertrauen, und die Kollegen in München arbeiten so fantastisch für uns mit, dass die Distanz kaum spürbar ist.

Gestern sprachen wir mit Johannes Hauenstein über sein Jahr 2016. Morgen beantwortet Friederike Wehse unseren „etwas anderen Fragebogen“

 

 

 

 

 

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