Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Tobias Wahl?

Seit dem 06. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2020 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“.  Heute beantwortet KNV-Insolvenzverwalter Tobias Wahl unseren „anderen“ Fragebogen:

Tobias Wahl: „Durch meine Tätigkeit lernte ich dieses Jahr zahlreiche Buchhändler und Verleger kennen und schätzen. In vielen persönlichen Begegnungen und Gesprächen spürte ich eine unglaubliche Leidenschaft für das Kulturgut Buch, was mich nachhaltig beeindruckte“ (c) Kurt Steinhausen / anchor Rechtsanwälte

Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?

Aus beruflicher Sicht war für mich der Tag am schönsten, an dem ich den Kaufvertrag mit Zeitfracht abschloss und wusste, dass das gesamte Unternehmen KNV mit allen Arbeitsplätzen erhalten bleibt.

Worüber haben Sie sich 2019 am meisten geärgert?

Ich bedaure die zumindest nach meinem Gefühl abnehmende Bereitschaft in unserer Gesellschaft, Kompromisse zu schließen. Über den daraus resultierenden Stillstand habe ich mich – im Großen wie im Kleinen – oft geärgert.

Was war 2019 Ihr schönster Erfolg?

Beruflich: Siehe die erste Frage. Privat: Bei einer ausgedehnten Wanderung mit guten Freunden im Montafon einen Gipfel zu besteigen.

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Über Ostern dieses Jahres reisten meine Frau und ich mit unseren beiden Kindern für ein paar Tage nach Krakau. Seit langem war es mir ein Bedürfnis, mit meiner Frau und meinen Kindern das Konzentrationslager Auschwitz–Birkenau zu besichtigen. Es war trauriger als jeder meiner Misserfolge.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Durch meine Tätigkeit bei KNV lernte ich dieses Jahr zahlreiche Buchhändler und Verleger kennen und schätzen. In vielen persönlichen Begegnungen und Gesprächen spürte ich eine unglaubliche Leidenschaft für das Kulturgut Buch, was mich nachhaltig beeindruckte. Das ist für einen Insolvenzverwalter, der ständig unterschiedliche Branchen erlebt, nicht selbstverständlich.

Privat bin ich regelmäßiger Gast der Büchergilde in Heidelberg. Besonders freute es mich auch, die mir bis dahin leider noch gar nicht bekannte, wunderbare Buchhandlung Bücher Bender ganz in der Nähe meiner Mannheimer Kanzlei zu entdecken.

Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?

Brexit – ich kann es nicht mehr hören.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

2020 ist Beethoven-Jahr – über ihn möchte ich gerne viel lesen – und noch mehr von ihm hören.

Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Zu viele Gummibärchen zu essen.

Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?

Zu viele Gummibärchen zu essen.

Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

Die Bildbände Sebastiao Salgados. Die Art und Weise, wie er mit seinen Augen die Verletzlichkeit der Welt, das Leiden und die Würde des Menschen fotografisch dokumentiert, ist beispiellos. Er hat mit seinen mahnenden Bildern zu Recht in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Spätestens nach der Laudatio von Wim Wenders und der ergreifenden Rede des Preisträgers in der Paulskirche verstand auch ich, dass er – anstatt mit Worten – mit seinen Bildern den Preis uneingeschränkt verdient.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Ich freue mich auf viele Neuerscheinungen, von denen ich noch gar nichts weiß – auch wenn ich mich schweren Herzens damit abfinden muss, dass kein Roman von Philipp Roth dabei sein wird.

Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Ian McEwan.

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?

Was möchten Sie den Beteiligten der Buchbranche sagen?

Hier können Sie die auch beantworten:

Unser anchor-Team und ich danken allen Beteiligten für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der schwierigen Zeit der Insolvenz von KNV.

Gestern antwortete Björn Bedey auf unseren anderen Fragebogen, morgen befragen wir Ulrich Hopp

 

Kommentare (2)
  1. Finde dies Interview ärgerlich – kein Wort des Bedauerns von Herrn
    Wahl über die Millionen Verluste für die Verlagsbranche durch die
    KNV-Insolvenz, stattdessen Nichtsagendes über Gummibärchen oder die „unglaubliche Leidenschaft für das Kulturgut Buch“ bei von ihm getroffenen Buchhändlern und Verlegern. Meinem kleinen Verlag für Exil-Kultur 1933-1945 Edition Memoria sind durch die KNV-Insolvenz mehrere tausend € verloren gegangen – die paar „Ausgleichszahlungen“ in Höhe von zumeist 20,01 € waren ja eher ein Witz. Eine Anfrage dazu wurde bis heute nicht von der Kanzlei Wahl beantwortet, mehrfach von dessen Sekretariat zugesagte Rückrufe erfolgten nie. Meines Erachtens hätte dies Interview, in dem Herr Wahl sich als „Retter“ von KNV präsentiert, nicht im geschätzten BuchMarkt erscheinen sollen …

    • Ich will es mal vorsichtig formulieren: willkommen in der realen Welt! Natürlich hat die KNV-Insolvenz viele viele Existenzen massiv verändert oder sogar zerstört, aber für solche erfolgreichen Insolvenzverfahren gibt es nicht so ganz viele Beispiele! Der Zorn sollte sich vielmehr auf Oliver Voerster richten, der gemeinsam mit seinem Cousin Frank Thurmann den Laden über viele Jahre hinweg systematisch vor die Wand gefahren hat! So ziemlich alle Kündigungen durch Mitarbeiter im Bereich „Führungsmannschaft“ oder „Kundenbetreuung“ bereits lange im Vorfeld des Umzugs nach Erfurt erfolgten ausschließlich wegen der beiden geschäftsführenden Gesellschafter und deren absoluter beratungsresistenter Großkotz…..! KNV wäre heute immer noch KNV, wenn der Senior Jürgen Voerster zu Lebzeiten das Unternehmen in externe erfahrene Hände übergeben hätte und nicht an Sohn oder die Familie!

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