Der Huckepack Bilderbuchpreis geht an Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte (Beltz&Gelberg) von Beatrice Alemagna, aus dem Französischen übersetzt von Anja Kootz. Zum Inhalt: Einem sich selbst überlassenen Kind widerfährt sein größtes persönliches Unglück – es verliert sein elektronisches Spiel, mit dem es sich an einem verregneten Tag die Zeit vertrieben hat und muss nun versuchen, mit einem überaus tristen Tag fertig zu werden. Wie es die Welt um sich und sich selbst neu entdeckt, kann auch andere Kinder dazu ermutigen, einen glücklichen Tag ohne digitale Medien zu erleben.
„Eine realistische Geschichte um ein aktuelles Thema, in dem sich Kinder und vorlesende Eltern wiederfinden können“, heißt es in der Jury-Begründung. „Doch zur Auszeichnung tragen letztlich noch viele weitere, feine Details bei. So beschäftigt sich zu Beginn der Geschichte nicht nur das Kind intensiv mit seinem Mini-Computer, auch die Mutter sitzt an ihrem Laptop. Es gibt keine Interaktion zwischen den beiden, bis sie das Spiel des Kindes beendet –,wieder mal‘ –, und sich das Kind – ebenfalls ,wieder mal‘ – sein Spiel heimlich zurückerobert, um es an einem andere, weniger beaufsichtigten Ort fortzusetzen. Beatrice Alemagna gelingt es in ihrem überwiegend in gedämpften Naturtönen gestalteten Bilderbuch, die digitalen Medien zwar kritisch zu beleuchten, sie aber dabei nicht zu verteufeln. Computer und elektronische Spielgeräte sind heutzutage ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens. ,Wir sollten darüber aber nicht vergessen, dass wir neben uns Menschen aus Fleisch und Blut haben, mit denen wir reden, die wir umarmen können‘, erklärt die in Paris lebende Künstlerin in einem Interview. In ihrem Buch finden Mutter und Kind am Ende eines für beide einsamen Tages zueinander. Über einer Tasse Kakao sitzen sie einander zugewandt zusammen, lauschen gemeinsam derselben Stille und fühlen sich in dieser ruhigen Zweisamkeit wohl.
Alemagnas Buch ist eine Hommage an die Langeweile, aus der Phantasie und Kreativität entstehen können, wenn man sie denn zulässt. Das Kind in ihrer Geschichte, das von den Bildern her sowohl Junge als auch Mädchen sein kann und damit ein hohes Identifikationspotential bietet, kann sich aus einer zunächst erdrückend wirkenden Lebenssituation aus Einsamkeit und Lustlosigkeit befreien und über Geräusche und Gerüche des Waldes Dinge in der Natur entdecken, die es faszinieren und begeistern. Dass es am Ende in seinem eigenen Spiegelbild das Lächeln seines im Bilderbuch abwesenden Vaters entdeckt, zeugt vom Stolz und gewonnenen Selbstbewusstsein des kindlichen Protagonisten. Es hat sich – um das Buch in den Kontext der Bewertungskriterien des Huckepack Bilderbuchpreises zu stellen – quasi selbst Huckepack genommen.“
Der 2016 zum ersten Mal verliehene und mit 1.000 Euro dotierte Huckepack Preis zeichnet Bilderbücher aus, die in besonderer Weise dazu geeignet sind, Kinder emotional zu stärken. Neben einer Bild- und einer Textästhetik berücksichtigt er damit auch die Wirkung, die das Buch auf kindliche Leser haben kann. Er ist aus dem in Wetzlar beheimateten sozialpräventiven Projekt Vorlesen in Familien entwachsen und wird kooperativ von der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, dem Bremer Institut für Bilderbuchforschung und einzelnen über Deutschland verstreuten Kinderbuchexperten aus dem pädagogischen, journalistischen, literatur- und sozialwissenschaftlichem Bereich verliehen. Er wird gestiftet vom pädagogischen Verlag das netz. Die Preisverleihung 2019 fand heute im Rahmen einer fachpädagogischen Tagung zum Thema „In Bilderbüchern dem Glück“ begegnen in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar statt.