„Lange nicht gesehen“, war eine häufig gehörte Begrüßung gestern bei der gut besuchten Jahreshauptversammlung des Landesverbands Berlin-Brandenburg im Börsenverein. Neben den üblichen Vereinsregularien, die schnell und problemlos über die Bühne gingen, stand bei der Tagung im Literaturhaus Berlin eine Keynote des neuen Hauptgeschäftsführers Peter Kraus vom Cleff auf dem Programm.
Unter der Überschrift „Gemeinsam anders“ spielte er einerseits auf die drei Sparten an, andererseits stellte er die Themen vor, die ihn gerade umtreiben. Dazu gehören Nachhaltigkeit und Klimaneutralität ebenso wie digitale Transformation. Buchhandlungen sorgten per se für Nachhaltigkeit und Diversität, doch es gelte noch nachhaltiger und umweltfreundlicher zu werden, sagte Peter Kraus vom Cleff und kündigte die Einrichtung einer IG Nachhaltigkeit an. Außerdem baue der Börsenverein gerade einen digitalen Wissens-Hub auf. Was passiert mit den Innenstädten, wenn die Menschen sich nicht mehr aufraffen, vom Sofa aufzustehen?, fragte er und sprach damit Martina Tittel (Nicolaische Buchhandlung),der 1. Vorsitzenden des Berliner Landesverbands, aus dem Herzen. Die Innenstadtfrequenz sei um 20 bis 30 Prozent gesunken, betonte sie. Nun heiße es auch für die Politik gegenzusteuern, um die Verödung der Innenstädte zu verhindern. Buchhandlungen seien bereits Orte der Kommunikation, diese Stärke müssten sie ausspielen und dazu beispielsweise mit den Nachbarn in der Einkaufsstraße kooperieren. „Wir müssen uns einmischen und das Buch auf allen Ebenen im Gespräch halten“, so Tittel.
Das gelang im April beispielsweise mit dem Festival „Beats and Books“, das AvivA-Verlegerin Britta Jürgs, die 2. Vorsitzende, vorstellte. Im Rahmen des „Berliner Bücherfrühlings“hatten sich dabei 25 Verlage an Veranstaltungen in Berliner Clubs beteiligt. Das neue Format, mit dem sich neue Zielgruppen erreichen ließen, soll fortgesetzt und weiter ausgebaut werden.
Auch das Thema Ukraine stand auf der Tagesordnung. Die Schriftstellerin Svetlana Lavochkina, die in der östlichen Ukraine aufgewachsen ist und heute in Leipzig lebt, erzählte zum Auftakt des Abends, dass sie es bei einem Literaturwettbewerb in der Ukraine 2021 auf die Shortlist geschafft habe. Doch dann kam der Angriffskrieg dazwischen. Als sie vor wenigen Wochen von der Auszeichnung erfuhr, habe sie Schmerz und Scham statt Freude gespürt. Ein befreundeter ukrainischer Schriftsteller habe sie daraufhin mit den Worten getröstet, dass auch die Literatur eine Front sei, die verteidigt werden müsse. Damit machte sie klar, dass sich die Literatinnen und Litreraten des Landes nicht zum Schweigen bringen lassen: „Ukrainische Literatur ist ein unsinkbare Schiff.“ Mit einer kurzen Lesung aus Die rote Herzogin machte Svetlana Lavochkina zudem neugierig auf ihre Romane, die in der Übersetzung von Diana Feuerbach bei Voland & Quist erschienen sind. Puschkins Erben aus dem Jahr 2019 zeichnet ein schonungsloses Porträt der Ukraine zu Zeiten des Roten Terrors.
Edition.fotoTAPETA-Verleger Andreas Rostek erinnerte an die Aktion der Kurt-Wolff-Stiftung „10.000 ukrainische Bücher für geflüchtete Kinder“, bei der Bücher bei etwa sechs, sieben ukrainischen Verlagen eingekauft und über das Lager der LKG – Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft an Schulen oder Kirchengemeinden verteilt werden.
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