Gestern Nachmittag hatte der Landesverband Berlin-Brandenburg im Börsenverein zu seiner Jahreshauptversammlung in die Alte Dorfschule im Berlin-Neuköllner Ortsteil Rudow eingeladen. Als Zeichen der Solidarität mit der benachbarten Buchhandlung Leporello, die in den letzten Monaten mehrfach Opfer vermutlich rechtsradikal motivierter Anschläge wurde, fand die Veranstaltung diesmal am südöstlichen Stadtrand statt.
Als Gastredner war der Berliner Kultursenator Klaus Lederer geladen, der die Teilnehmer gleich zu Beginn der Veranstaltung ermunterte, auch weiterhin unnachgiebig zu sein. „Wir brauchen zivilgesellschaftliches Engagement“, sagte Lederer, der sich i mit Leidenschaft und Überzeugung für die Branche der Region stark machte. Viel Applaus bekam er für die Ankündigung, künftig den mit insgesamt 65.000 Euro dotierten Berliner Verlagspreis zu vergeben. Um den mit 35.000 Euro dotierten Hauptpreis können sich bis 31. Juli Berliner Verlage mit einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro bewerben. Die mit jeweils 15.000 Euro Förderpreise richten sich an Verlage, deren Jahresumsatz unter einer Million Euro liegt. „Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass der Berliner Senat der Branche den Rücken stärkt“, so Lederer. Außerdem stimme der Preis mit der Düsseldorfer Erklärung unabhängiger Verlage vom Februar dieses Jahres überein.
Bei den turnusgemäß anstehenden Wahlen wurde der Vorstandvorsitzende, Argon-Geschäftsführer Kilian Kissling, ebenso wie seine Vorstandkollegen im Amt bestätigt.
Als Beisitzer Sortiment wurden gewählt: Wiebke Schleser (BuchSegler), Thomas Gralla (Buchlokal) und Martina Tittel (Nicolaische Buchhandlung); Beisitzer Verlag sind Bernhard Bücker (Suhrkamp), Marion Alexa Müller (Periplaneta)) und Inci Bürhaniye (binooki).
Der Landesverband Berlin-Brandenburg verstehe sich als kreativer Verband. Um den Herausforderungen der Branche zu begegnen, werde man zukünftig noch mehr dafür tun, Netzwerke zu organisieren und zu etablieren, so Kissling. „Die Grundlagen verteidigen und das neue gestalten kann nur gelingen durch die Summe vieler Initiativen, von Netzwerken, die vom Reden ins Handeln kommen.“
Angesichts rückläufiger Kundenzahlen warnte Kilian Kissling vor Reflexen wie Angst, Sorge und Ratlosigkeit, die teilweise sogar so weit gehe, die Skepsis gegenüber neuen Darreichungsformen und Vertriebsmöglichkeiten von Büchern zu vergrößern. „Wäre nicht hier etwas anderes gefragt? Etwas, das eigentlich eine traditionelle Stärke unserer Branche war und auch heute ist? Ist es nicht etwa regelmäßiger Teil unserer Programmarbeit und Sortimentsgestaltung, Trends in der Gesellschaft zu erkennen und aufzugreifen?“, so Kissling. „Der Rückgang der Buchkäufer schmerzt. Doch wir müssen uns auch bewusst machen, dass gedruckte Bücher weiterhin das meistverkaufte Medium im Handel sind. Wir erreichen nach wie vor ein Millionenpublikum, das nicht im Traum daran denkt, zukünftig weniger Bücher zu kaufen. Dieses Publikum müssen und wollen wir behalten, durch gute Programme und einen kompetenten Handel. Doch gleichermaßen sollen wir neue Wege finden, verlorenes Publikum zurück- und gänzlich neues Publikum zu gewinnen.“
Die Chancen seien erheblich und die Branche habe alle Voraussetzungen, auf die Entwicklung erfolgreiche Antworten zu finden: „Unsere Branche muss ihre Grundlagen verteidigen, und gleichzeitig das Neue gestalten. Wir müssen uns – gerade auf verbandlicher Seite – endlich davon verabschieden, darin einen Widerspruch zu sehen. Neue Inhalte, neue Angebotsformen sind kein Verrat an bewährten und identitätsstiftenden Institutionen.“
ml