Beckmann kommtiert Gerhard Beckmanns Meinung – Begibt sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels aufs Glatteis?

Aus aktuellem Anlass haben Volker Hasenclever und ich gestern am Telefon lang über die zunehmende Hektik und die Fragwürdigkeit des ökonomischen Fiebermessens diskutiert.

Gleich dreimal ist in diesen Tagen dem Sortimentsbuchhandel der Puls gefühlt worden – mit, wie es scheint, eklatant divergierenden Ergebnissen.

Der Buchreport verkündet, um stolze 5,2 Prozent über dem Vorjahresmonat habe die Branche im Januar abgeschlossen. Langendorfs Dienst meldet 3,7 Umsatzrückgang. Und der neue Branchenmonitor des Börsenvereins behauptet da ein Umsatzplus von 4,5 Prozent.

Ist die Temperatur des Patienten nun gestiegen oder gefallen?

Bei derlei widersprüchlichen Befunden fasst man sich zuerst mal an den Kopf.

Markforscher aber wird die Spannweite der Veränderungen von minus 3,7 bis plus 5,2 Prozent hier nicht überraschen: Die Erhebungsbasis ist zu schmal, der Buchhandel (verglichen mit anderen Branchen) stark fraktioniert. Klassifizierungsmuster für repräsentative Aussagen lassen sich daher schwerlich bilden. In den kleineren Betrieben führen bei monatlicher Betrachtungsweise Sonderfaktoren oft zu signifikanten Abweichungen… Kurzum, hier gibt es ein statistisches Problem.

Das freilich ist nicht neu.

Neu und ärgerlich ist, dass nun auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bei diesem Spiel mitmischt und solchen Messungen mit offiziellem Branchenverbandssiegel natürlich die höheren Weihen verleiht – ohne eigenes Thermometer, ohne zu wissen bzw. nachzuweisen, ob das von ihm benutzte Thermometer wirklich geeicht ist.

Marktdaten, die der Verband absegnet und veröffentlicht, sollten aussagefähig, überprüfbar und zitierfähig sein (denn sie werden, weil sie vom Verband kommen, von den Medien eher für zuverlässig gehalten). Angaben über wachsende (oder sinkende) Warengruppen, ohne z.B. Bezifferung ihrer Anteile am Gesamtumsatz, haben kein langes Haltbarkeitsdatum – sie sind bloß prozentuales Jahrmarktsgeschrei. Und wie die Stichprobe ermittelt wurde, bleibt bislang ungenannt. Da ist es bis zur Zitierfähigkeit noch ein langer Weg.

P.S. Den Umstand, dass seit einigen Jahren die Umsatzentwicklung im Einzelhandel hinter der des Bruttosozialprodukts zurückgefallen ist, weil es an Kaufkraft fehlt, dürfte die Mehrzahl der Buchhändlerinnen und Buchhändler auch im Januar durchlebt haben. Mitunter reicht das eigene Pulsmessen zur Symptombeschreibung aus.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert