Beckmann kommtiert Schnöde Verdrängungsspiele des Börsenvereins mit „Corine“ und Leipziger Literaturpreisen

Weil die Zeit der herbstlichen Preisverleihungen bevorsteht, packte mich – in einer Sekunde der Muße – die Neugier, welchen Stellenwert der Börsenverein zumindest den größeren oder jedenfalls bekannteren Literaturpreisen auf seiner Homepage wohl geben mag.

Da habe ich auf ein paar helle laute Gongschläge gehofft. Denn solche Preise bringen schließlich nicht nur – Ehre, wem Ehre gebührt – Autoren eine heiß ersehnte öffentliche Würdigung, von der ein wenig Ruhm auch auf Verlage abfällt. Dank der oft hohen medialen Aufmerksamkeit tragen sie ja außerdem zu dem kulturellen Renommée bei, das die Branche, welche der Börsenverein vertritt und zu fördern bemüht ist, gern für sich beansprucht – und auch braucht.

Mit anderen Worten: Literaturpreise sind so etwas wie kulturelle Visitenkarten der Branche und ihres Verbandes und gehören deshalb natürlich nicht unter den Scheffel gestellt, sondern gebührend abgegeben und präsentiert. Im übrigen – und wenn das jetzt schnöde tönen mag, so ist es keinesfalls schnöde gemeint – dienen Literaturpreise, vor allem wegen ihrer Beachtung durch die Medien, mittlerweile als ein immer wichtigeres Marketinginstrument. Es geht also nicht nur um Ruhm und Ehre, nicht nur um Kultur. Für viele Mitglieder des Verbandes, für Verlage wie Buchhändler, geht es auch ums Geschäft. Und wenn’s ums Geschäft geht, hört bekanntlich der Spaß auf.

Der Börsenverein aber – so der erste Eindruck eines Besuches seiner Homepage – scheint mit Literaturpreisen Spaß zu treiben.

Der Büchnerpreis, die Klagenfurter Preise der Bachmann-Lesungen, der Kleist-, der Rabe-, der Nobelpreis, der Deutsche Jugendbuchpreis – um nur einige der bedeutendsten zu nennen: auf der Homepage des Börsenvereins existieren sie nicht.

Da kann es gar nicht mehr wundern, wenn die drei Preise, mit welchen die Heinrich Maria Ledig-Rowohlt.-Stiftung am 17. Oktober während der Frankfurter Buchmesse „herausragende Leistungen deutscher Übersetzerinnen und Übersetzer“ würdigt – in diesem Jahr Dieter E. Zimmer für seine Übertragungen der Werke Vladimir Nabokovs, Mirjam Pressler für ihre Übersetzungen aus dem Hebräischen und Gunhild Kübler für ihre Übertragung der Gedichte Emily Dickinsons – nun ja, dass sie ausgelistet sind.

Warum die hier besonders hervorgehoben werden? Weil diese Preise (seit siebzehn Jahren) auch die schöpferische Arbeit der Übersetzer ins rechte Licht rücken, ohne die wir in einem geistig sehr viel ärmeren Land leben würden.

In Anbetracht solcher Ausmerzungen wirkt es auf traurige Weise auch fast spaßig, wenn der Börsenverein sich auf der Startseite seiner Homepage abschließend selbst so charakterisiert: “Er engagiert sich für das Kulturgut Buch und das Lesen, für die Meinungsfreiheit und die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft.“

Immerhin unterstreicht der Börsenverein aber die Bedeutung von Literaturpreisen, wenn er in der rechten Randspalte dort unter „Termine“ bloß Preisverleihungen aufführt.

Doch welche? Die für den Deutschen Buchpreis, für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und für den Geschwister Scholl-Preis.

In Ordnung, es sind wichtige Preise – allerdings nur Preise, für die er selber verantwortlich zeichnet – den Geschwister Scholl-Preis vergibt der Landesverband Bayern im Börsenverein des deutschen Buchhandels, gemeinsam mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München.

Moment – da fehlt doch was!. Vergibt der Landesverband Bayern im Börsenverein nicht auch die Corine-Preise? Richtig. Warum ist dann die „Corine“ dort nicht ebenfalls gelistet? Etwa nur, weil dort bloß Platz für drei Preise war? Es wäre aber doch wohl nicht furchtbar schwer gewesen, dort noch für einen vierten Platz zu machen.

Nun ja, hofft man, vielleicht folgt die „Corine“ ja auf der nächsten Seite der Homepage. Neugierig klickt man also auf „Weitere Termine“ – und sieht eine Tabelle mit den Monaten Januar bis Dezember.

Wer nicht weiß, dass die „Corine“ im November verliehen wird – mit der Nase wird er so auf die „Corine“ nicht gestoßen.

Irgendwie kann da der Verdacht aufkommen, dass der Börsenverein in Frankfurt etwas gegen die „Corine“ hat – so viel, dass er seinen immerhin stärksten und mächtigsten Landesverband, den in Bayern, dafür in die Versenkung zu schicken sucht. Der Hauptverband ist, schwant einem, der „Corine“ wohl nicht grün, sieht in ihr eine unliebsame Konkurrenz – zumal den Münchnern gelungen ist, was den Frankfurtern für ihren Deutschen Buchpreises versagt blieb: den Kulturkanal 3sat zur deutschlandweiten Übertragung ihrer Gala-Preisverleihung zu gewinnen.

Sollte der Frankfurter Hirschgraben aus Konkurrenzneid zu einem Krähennest verkommen sein, wo – wider alle sprichwörtliche Weisheit – eine Krähe der andern ein Auge aushackt? Und darum nun nicht ganz unwichtige Hinweise und Informationen sozusagen nur mit unsichtbarer Tinte in den Kalender schreibt?

Klickt man dann auf „November“ und dort auf „Corine“, fällt zudem unangenehm auf, dass in dem Text die 3sat-Fernsehübertragung – ein markantes Wirkungsmoment dieser Preise – unerwähnt bleibt und der Name der neuen Moderatorin nicht genannt wird – an die Stelle von Desirée Nosbusch ist nämlich die hinreißende Katrin Bauernfeind getreten, ehemals Mutterschaftsvertretung von Tita von Hardenberg zu besten Polylux-Zeiten in der ARD.

Übrigens: Hat der Börsenverein nun gar nichts mehr mit der Leipziger Buchmesse zu tun? Wer nämlich auf „März“ klickt, findet keinen Hinweis auf die wichtigen und auch medial viel beachteten Literaturpreise, die dort verliehen werden und die einen Höhepunkt im jährlichen Leben der Buchbranche (und der Kultur) bilden. Eine Leerstelle, weil auch Leipzig von den Frankfurtern vor allem als Konkurrenzveranstaltung betrachtet wird.

O du lieber Augustin – o tempora, o mores.

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