Börsenverein Branchenverband soll leistungsfähiger, flexibler und transparenter werden / Interessengruppierungen als neue Organisationsform?

Im Mittelpunkt des heutigen 15. Branchenparlaments des Börsenvereins in Frankfurt stand die Neustrukturierung des Verbandes. „Die Überprüfung der gegenwärtigen Strukturen soll die ehrenamtliche Mitarbeit stärken und schnellere Entscheidungen ermöglichen. Wichtig ist es dabei, alle Mitglieder mitzunehmen und nichts zu überstürzen“, sagte Vorsteher Heinrich Riethmüller.

Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, erläuterte die bisher gesammelten Erfahrungen und die angedachte neue Struktur. Im Verband gebe es sehr unterschiedliche Interessen, das Heimatgefühl gehe gegenwärtig verloren. Deshalb sollten die Sparten aufgelöst werden. „Das Herzstück der neuen Organisation sind Interessengruppierungen“, erklärte Skipis. Sie sollen Fachausschüsse und Arbeitsgruppen ersetzen. Vorgesehen sei jedoch kein starres System, sondern ein offenes. Auch Nichtmitglieder könnten sich in offenen Gruppen beteiligen. „Damit unterbreiten wir ein veritables Angebot gegenüber anderen Verbünden in der Branche“, stellte der Hauptgeschäftsführer fest.

Ein aus neun Ehrenamtlichen und einem Hauptamtlichen bestehender Vorstand solle die Interessengruppen nicht nur bestätigen und ihnen dann auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, sondern ihre Sinnhaftigkeit auch jährlich überprüfen. „Damit haben wir keine drei großen Brocken mehr, sondern kleine, flexible Gruppen“, sagte Skipis.

Außerdem würden vom Vorstand zu Sachthemen zeitlich begrenzt Task Forces eingerichtet. Das habe bereits beim Komplex Metadatenbank gut geklappt. „Es gibt dann keine langweiligen Sitzungen mehr, in denen die Tagesordnung abgearbeitet wird“, schlussfolgerte Skipis. Ein Steuerungsteam fasse die Vorstellungen der Interessengruppierungen und Task Forces zusammen und berichte dem Vorstand. Die Hauptversammlung bleibe das höchste Organ des Verbandes.

„Es müssen sicherlich noch zahlreiche Fragen geklärt werden, sollte dieses Modell, das die Verbandsdemokratie stärkt, bestätigt werden“, beendete der Hauptgeschäftsführer seine Ausführungen.

In der Diskussion gab es zahlreiche Fragen. Karl-Peter Winters warnte: „Man muss sorgfältig mit den Interessen der Mitglieder umgehen. Wie soll das gewährleistet werden? Was passiert mit internationalen Interessen? Gibt es nicht die Gefahr, dass sich Interessengruppen verselbständigen?“ Christiane Schulz-Rother wollte wissen, wie der Etat aussehe. Manfred Keiper fragte: „Welche Rechte haben die Interessengruppen? Und wo liegen die Verbindlichkeiten? Was ist mit dem Haushaltsausschuss? Einige wichtige Gremien tauchen beim neuen Konzept gar nicht auf.“ Thomas Carl Schwoerer sieht in den Interessengruppierungen eine Gefahr für die einheitliche Meinung des Verbandes: „Das birgt Sprengstoff“, gab er zu bedenken.

Jürgen Horbach wandte ein: „Das Börsenvereinsmitglied ist wertvoll, aber träge. Bedarf es da nicht eines institutionellen Anstoßes?“ „Vieles scheint mir dem Zufall und wechselnden Mehrheiten überlassen zu sein. Wer hat denn Einfluss auf die Entscheidungen? Wer nimmt an den Interessengruppen teil?“, wollte Thomas Bez wissen.

Thomas Lindemann sieht in den neuen Strukturen die Basisdemokratie gefährdet. Außerdem fragte er nach der Finanzierung – wie solle das gehen bei sehr vielen Interessengruppen. Eine Verschlankung könne er in der neuen Struktur nicht erkennen. Jan Orthey interessierte, wie man mit Oppositionen umgehe.

„Ihre Fragen sind uns extrem wichtig“, begann Alexander Skipis seine Erklärungen und Antworten. Selbstverständlich gebe es ein Budget, auch für die jeweiligen Interessengruppen. „Die übergreifende Willensbildung findet im Vorstand respektive in der Hauptversammlung statt“, informierte er.

„Zurzeit treffen wir uns in großen Abständen in den Sparten. Da sind Interessengruppen flexibler“, ergänzte Heinrich Riethmüller.

Weiter erläuterte Alexander Skipis: „Jeder, der will, kann in einer Interessengruppe arbeiten. Und ich freue mich auf Sprengstoff. Die Themen werden schneller auf den Tisch kommen als bisher und können eher geklärt werden.“ Bislang gebe es keine Verbindlichkeiten für Entscheidungen der Fachausschüsse, den Interessengruppen komme in der neuen Struktur mehr Bedeutung zu. „Der Vorstand entscheidet letztendlich über die Bildung von Interessengruppen, dann gibt es auch entsprechende Rechte und Pflichten“, fügte Parlamentsvorsitzender Stefan Könemann hinzu, „die zahlenmäßig größte Mitgliedergruppe sind die Buchhändler. Die heute bestehenden Gruppen sollten auch im Vorstand abgebildet werden.“

„Arbeitskreise sind schnell gegründet, wir haben jetzt schon viele. Auch innerhalb dieser Gruppen gibt es Widersprüche, daran wird sich auch mit den Interessengruppen nichts ändern“, bemerkte Matthias Ulmer. „Auf der einen Seite haben wir gute Arbeit geleistet, auf der anderen Seite herrscht aber gegenwärtig auch Vereinsmeierei“, konstatierte der Vorsitzende des Verleger-Ausschusses. Das rief im Publikum Empörung hervor.

Dieter Dausien versuchte, die Wogen zu glätten: „Der Börsenverein hat sich bewegt, und das ist gut.“ Er sehe aber auch die Gefahr der Zersplitterung: „Ein Sammelsurium wäre wenig transparent.“ Der Vorstand dürfe nicht unter Ausschluss diskutieren. Und wie soll er ein so großes Pensum überhaupt bewältigen?

„Wir haben die Details zwar noch nicht alle durchdacht, aber intransparente Gespräche wird es nicht geben“, antwortete Skipis.

Alle Fragen konnten nicht diskutiert werden. So blieb beispielsweise das Thema Landesverbände heute außen vor.

Mehrheitlich entschied das Parlament, dass diese Vorschläge weiter entwickelt werden sollen. „Die neue Struktur muss von einer breiten Mehrheit getragen werden, sonst funktioniert es nicht“, schlussfolgerte Stefan Könemann. Alexander Skipis verwies auf die Diskussionsplattform www.boersenverein.de/mi/strukturreform

JF

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