Aus der Werkstatt der Verlage (XLVI) Ulrich Peters: „Es gibt gute Gründe, die Krise nicht allzu rasch zur Chance umzudeuten. Es gibt nichts, was gut wäre an Covid-19. Gar nichts!“

Die Verleger-Blicke in den Editorials der Herbstvorschauen, auf ihre jeweiligen neuen Programme und auf die Branche teilen wir derzeit in loser Folge mit Ihnen. Heute das Schreiben von Patmos – Verleger Ulrich Peters:

Ulrich Peters: „Zukunft kann so viel mehr sein als die Fortführung der Vergangenheit. Ich bin dankbar dafür, dass der Abstand, den wir aus Anstand und Rücksicht inzwischen einzuhalten gelernt haben, nicht auf Kosten von Nähe geht. Im Gegenteil. Ich habe eher den Eindruck, dass der Gemeinsinn in weiten Teilen der Gesellschaft neu erwacht und entdeckt wird – Ausnahmen und Anhängern von Verschwörungsmythen geradezu zum Trotz“

Wussten Sie schon, dass unsere Gehirne sämtliche Informationen, die wir im Laufe unseres Lebens aufnehmen und aufgenommen haben, in ihren synaptischen Verbindungen speichern? Alles, was unser Leben ausmacht, ist unseren grauen Zellen eingeprägt. Unsere Gehirne sind gewissermaßen Spiegelbilder unseres bisherigen Lebens. Tag für Tag greifen wir mit unseren Routinen auf bestehende „Schaltkreise“ zurück und aktivieren so vertraute neuronale Netzwerke. Beinahe unbemerkt wird unsere Vergangenheit so zu unserer Zukunft.

Aber Zukunft kann so viel mehr sein als die Fortführung der Vergangenheit. Wir sind keine Opfer einer unsichtbaren Kraft, die uns in eine Zeitschleife verbannt hat, in der wir in Leblosigkeit verharren und erstarren müssten. Wir haben diese Schleife mit unserer Art zu leben und die Welt zu sehen vielmehr selber geschaffen. Weil das so ist, liegt es auch in unseren Möglichkeiten, sie wieder aufzulösen. Das fängt ganz einfach an, klein und scheinbar unbedeutend – wenn wir zum Beispiel jeden Tag etwas anders machen als gewohnt.

So kommt das Neue in die Welt und in unser Leben: Routinen aufbrechen. Neue Verbindungen herstellen. Die Dinge einmal anders denken und ausprobieren. Das Geheimnis besteht darin, aus alten Mustern herauszufinden. Schon geringfügigste Veränderungen unseres alltäglichen Verhaltens verändern auch unsere Gehirne. Verkrustete alte Nervenverbindungen werden durch frisch keimende Nervennetzwerke ersetzt. Es entstehen neue synaptische Verbindungen, die unser Gehirn und mit ihnen unser Leben und letztlich die Welt verändern und bereichern.

Als ich während des diesjährigen Neujahrsempfangs für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über diese Dinge sprach, konnte ich nicht ahnen, wie sehr sich diese Zusammenhänge während des Jahres 2020 bewahrheiten würden. Unfreiwillig, und nicht ganz so, wie ich mir das gedacht hatte, darum aber nicht weniger wirklich: Corona. Die große Unterbrechung. Die tiefste Krise unserer Gesellschaft seit den Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts. Eine Zumutung, die uns geradezu in eine andere Art zu leben zwingt. Das mit der Pandemie verbundene Leid von bislang unvorstellbarem Ausmaß, die Angst angesichts der unsichtbaren Gefahr, die von dem Virus ausgehende, unmittelbare Bedrohung von Gesundheit und Existenz(en) – es gibt gute Gründe, die Krise nicht allzu rasch zur Chance umzudeuten und die damit verursachten Abbrüche als Anbrüche. Nein. Es gibt nichts, was gut wäre an Covid-19. Gar nichts!

„Wir sind jeden Tag und jederzeit in der Lage, unserem Leben einen neuen Geist zu geben: Den Geist der Phantasie, des Muts und der Zuversicht, der stärker ist als alle Bedrohungen und Bedenken, Neues schafft und Bewegung in unser Leben bringt. Das zu stimulieren, sehen wir als eine unserer vornehmsten Aufgaben als „Verlagsgruppe mit Sinn für das Leben“ an“. Durch Klick auf Abbildung zum Blättern in allen Vorschauen der Patmos Gruppe

Etwas Anderes ist es mit dem, was wir daraus machen. Was diese Ebene betrifft, bin ich dankbar dafür, dass der Abstand, den wir aus Anstand und Rücksicht inzwischen einzuhalten gelernt haben, nicht auf Kosten von Nähe geht. Im Gegenteil. Ich habe eher den Eindruck, dass der Gemeinsinn in weiten Teilen der Gesellschaft neu erwacht und entdeckt wird – Ausnahmen und Anhängern von Verschwörungsmythen geradezu zum Trotz.

Wer sich über deren Motive informieren will, findet aufschlussreiche Informationen im soeben bei uns erschienen und bereits in zweiter Auflage vorliegenden Buch von Michael Blume „Verschwörungsmythen. Woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können“. Die Lautstärke dieser Gruppen, sagt jedoch nichts über ihre Größe. Sie repräsentieren nicht die Mitte und Mehrheit unserer Gesellschaft. In der bricht vielmehr ein neuer Einfallsreichtum auf, wenn es darum geht, die Fähig- und Fertigkeit zu entwickeln „wie man aus Trümmern ein Schloss baut“. Der ebenfalls gerade im Rahmen unseres Programms erschienene Band von Dörthe Maack ist da eine außerordentlich anregende Lektüre. Es ist ein Zufall, dass diese Geschichte des Erblindens einer jungen Artistin und wie sie neu ins Leben fand gerade jetzt erscheint. Aber was ist schon zufällig? „Wie man aus Trümmern ein Schloss baut“ – das wurde aber auch in zahlreichen Initiativen in unserer Branche deutlich, für die wir Ihnen als Ihr Verlagspartner sehr, sehr dankbar sind, weil sie höchst intelligente neue Wege zum Kunden geöffnet und offengehalten haben, als alles geschlossen war.

Inzwischen ist nicht mehr die Frage, wie es nach Corona weitergeht, sondern wie wir mit Corona leben lernen. Vielleicht lag ich damit meinen Neujahrsgedanken gar nicht so falsch. Das Gehirn wächst und wandelt sich und bleibt vital, zeitlebens. Wir sind nicht festgelegt, keinen Moment – und was wir uns vorzustellen vermögen, wird auch möglich. Geht nicht, gibt’s eigentlich nicht. Wir sind jeden Tag und jederzeit in der Lage, unserem Leben einen neuen Geist zu geben: Den Geist der Phantasie, des Muts und der Zuversicht, der stärker ist als alle Bedrohungen und Bedenken, Neues schafft und Bewegung in unser Leben bringt. Das zu stimulieren, sehen wir als eine unserer vornehmsten Aufgaben als „Verlagsgruppe mit Sinn für das Leben“ an.

Wie das geht? Anfangen. Einfach anfangen und die Dinge noch einmal auf eine neue Weise denken und tun. Zumutungen als das begreifen, was sie auch sein könnten: Herausforderungen, neuen Mut zu entwickeln und die Quellen der Kraft anzuzapfen, die wirklich unerschöpflich sind – Geist, Inspiration und Imagination nämlich, unsere eigentlichen erneuerbaren Energien. Unser Gehirn ist vital, veränderbar – und wir sind es auch, meint

Ihr

Ulrich Peters

Bisher brachten wir die Editorials von

Christoph Links

Lucien Leitess,

Daniel Kampa, 

Lothar Schirmer,

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Gerhard Steidl,

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