Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Roman Hocke?

Seit dem 6. Dezember (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2021 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet der Literaturagent Roman Hocke (AVA) unseren „anderen“ Fragebogen:

Roman Hocke: „Wie können wir Kultur fördern und verbreiten? Ohne sie wird jede Erziehung, jedes wert-volle Miteinander schwierig. Kultur verwandelt Werte in Wirklichkeiten“ (c) Isolde Ohlbaum

Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?

Die Geburt meines Enkels mitten im Corona-Lockdown. Ein Erlebnis von inniger Liebe gegenüber der äußeren Bedrohung. Die ersten Blicke in seine Augen haben sich tief in meiner Erinnerung eingebrannt.

Worüber haben Sie sich 2020 am meisten geärgert?

Über das Unvermögen von Menschen, ihre unguten Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Über das penetrante Streben nach Vorherrschaft und Dominanz, selbst im privaten Bereich. Von der Verbreitung von Unwahrheiten zum eigenen Nutzen. Über die verletzenden Scherben, die dadurch entstehen.

Was war 2020 Ihr schönster Erfolg?

Einen Karren aus dem Sumpf geholt zu haben, obwohl niemand mehr daran glaubte, es sei zu schaffen. Trotz des Schadens ist er noch fahrtüchtig.

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

Das AVA-Fest mussten wir absagen. Seit 40 Jahren ist es eine feste Tradition, die alle zwei Jahre stattfindet. Mir fehlt dieser eine Tag an Geselligkeit, Gesprächen, Gelächter und Gerüchten, die vom späten Vormittag bis in die Nachtstundengediehen. Endlich mal ein Miteinander ohne Geschubse und Rangeleien um Konditionen und Marketingmaßnahmen. Ehrlich gesagt fehlt mir diese Art von Miteinander dieses Jahr überhaupt!

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Mein liebster Verlag in diesem Jahr ist derjenige, der endlich nach vielen Jahren seine ablehnende Haltung unserer Literaturagentur gegenüber aufgegeben hat, weil er endlich zu der Einsicht kam, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und nur ein gemeinsames Ziel haben: Bücher erfolgreich zu verkaufen und nachhaltige Erzählmarken zu schaffen.

Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?

Alle Themen sind irgendwie interessant, wenn sie klug angegangen werden. Schlimm finde ich, dass nur noch Antworten gegeben werden, ohne dass es Fragen dazu gibt. Ich wünschte, mehr gute Fragen zu hören. Nicht mehr lesen will ich von dem Meer an Behauptungen, die allein der eigenen Profilierung dienen, nicht aber der Wahrheit.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Wie können wir Kultur fördern und verbreiten. Ohne sie wird jede Erziehung, jedes wert-volle Miteinander schwierig. Kultur verwandelt Werte in Wirklichkeiten.

Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Erwartungen von Mitmenschen zu enttäuschen, weil ich die Erwartungen mit den Realitäten nicht in Einklang gebracht hatte.

Und welchen Fehler werden  Sie trotzdem wiederholen?

Vor lauter Begeisterung die Erwartungen von Mitmenschen in die Höhe zu treiben und trotzig die Realitäten gering zu schätzen.

Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

Ich freue mich besonders, wenn ein erstes Buch eines neuen Autors veröffentlicht wird. Damit gewinnt die Zukunft ein neues Stück Boden. Aber ich habe auch Freude daran, wenn es gelingt, ein Werk eines verstorbenen Autors in ein Verlagsprogramm zu heben. Dadurch bleibt uns ein Stück Vergangenheit erhalten.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Was soll ich hier sagen, ohne mich in die Nesseln zu setzen? Das wichtigste Buch des neuen Jahres wird dasjenige sein, das ich nicht alleine erfolgreich an einen Verlag vermitteln werde, sondern das mich darüber hinaus auf eine Reise mitnehmen wird, die mich verändert. Mit zunehmendem Alter bleibt die Freunde am Reisen, doch das mit der Veränderung wird etwas schwieriger.

Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Vom lieben Gott. Allerdings wollte ich meine Fragen dann selbst formulieren. Es ist mir immer noch so vieles unklar in dieser Welt …

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben,  hätten Sie gern beantwortet?

Gibt es einen Sinn des Lebens?

Hier können Sie die auch beantworten:

Ja, so wie eine Reihung von Buchstaben einen tieferen Sinn in einem Roman ergibt, so entsteht auch im Miteinander von Menschen Sinn. Davon erzählen uns die Geschichten in den Büchern. Und im besten Fall auch unser Leben.

Gestern antwortete Klaus Kowalkemorgen fragen wir Rainer Moritz.

 

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