Matthias Heinrich im Sonntagsgespräch über den Innovationsdruck im Zwischenbuchhandel „Bremsen geht gar nicht, eher kontrolliertes Gas geben“

Matthias Heinrich: „Für unsere Kunden ist relevant, dass wir ein Auslieferungspartner sind, der technologieseitig auf der Höhe der Zeit oder ihr gar voraus ist und investiv die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens in der Branche sicherstellt. Im Schulterschluss mit den Kunden definieren wir unseren Erfolg über die abgelieferte Leistung, weniger über Reden als über das Machen“

Der Wettbewerb wird auch im Zwischenbuchhandel für alle Marktteilnehmer spürbar härter. Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch mit Matthias Heinrich. Der Geschäftsführer von Brockhaus Commission zieht hier sein persönliches Resümee des Jahres 2018:

BuchMarkt: Die Margen werden in der Branche kleiner, auch der Zwischenbuchhandel leidet als Bindeglied der Sparten unter  betriebswirtschaftlichem Druck. Ist deshalb Schockstarre angesagt, ökonomisch und bei Innovationen? 

Matthias Heinrich: Nein, ganz und gar nicht. Natürlich müssen wir und unsere Anspruchsgruppen aktuell in Kauf nehmen, dass die Bäume ergebnisseitig nicht in den Himmel wachsen können, will man sich trotz der aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten als Unternehmen zukunftssicher aufstellen. Die Ressourcen müssen klug allokiert werden, eine optionale schwarze Null in der Gewinn- und Verlustrechnung muss den Banken im Umfeld der strategischen Ausrichtung und damit verbundenen Investitionen und Ausgaben auch einmal als ordentliches Ergebnis vermittelt werden.

Man kann den Euro nur einmal ausgeben…

… aber von nichts kommt nichts. Wir sind gefordert, trotz Konzentrationsdruck und zunehmender Diversität im Abnehmermarkt unsere gute Marktposition zu erhalten oder zu verbessern. Grundsätzlich vertrauen wir auf die langfristige Solidität und Stabilität des Buchmarkts, allen Unkenrufen zum Trotz. 

Was bedeutet dies für Sie an Aktivitäten im Tagesgeschäft? Nach Ausruhen klingt das nicht.   

Wir handeln sinngemäß nach dem Motto von Laotse: „Wer sich am Ziel glaubt, kann nur noch zurück“. Ergo ruhen wir uns auf Erfolgen nicht aus. Vielmehr sondieren wir stets, welche lohnenswerten Destinationen hinter einem erreichten Etappenziel liegen können. Das Jahr 2018 haben wir deshalb intensiv genutzt, unseren Workflow zu verbessern Jedoch, ohne dabei den Grundnutzen der täglichen Arbeit für unsere Kunden außer Acht zu lassen. Solide, erfolgreiche und kundenorientierte Arbeit im Tagesgeschäft ist die Grundlage für Kundenzufriedenheit. Nichtsdestotrotz muss ein erfolgreiches Unternehmen darauf achten, personal- und technologieseitig stets ein ökonomisch und die Abläufe abbildbares Optimum zu erhalten.

Das klingt total philosophisch, theoretisch und nach Lehrbuch.

Gut, dann Butter bei die Fische, gehen wir direkt in medias res: Nachdem Ende 2017 der Anbau unserer Wareneingangserweiterung abgeschlossen war, haben wir eine neue Lagerverwaltungssoftware eingeführt und produktiv implementiert. Mit Unterstützung der neuen Anwendung werden sämtliche Waren- und Nachschubströme noch besser abgebildet. Die Software erlaubt auch den Verzicht auf jeglichen Beleg, in manchen Produktbereichen testen wir diese Option bereits aus. Wenngleich auch bei Brockhaus weiterhin der Mensch die Wertschöpfung diktieren soll, nicht die Technik. Mit VAS 5.0 ist seit 2018 das neueste Release des ERP-Systems in der Auslieferung im Einsatz. Im Außenverhältnis nicht unmittelbar durch die Kunden wahrgenommen, sorgen diese Innovationssprünge für funktionierende Systeme ohne Haltbarkeitsfrist.

Sie sprachen auch von personalseitiger Optimierung. Wie ist das zu verstehen? 

Nicht nur eingesetzte Technologie, sondern auch die Führungsmannschaft als handelnde Personen und Ansprechpartner für die Kunden sollte nachhaltig sein, Kontinuität an den Tag legen und ‚eine relativ lange Haltbarkeitsdauer besitzen‘. Gute, zukunftsorientierte Mitarbeiter/innen braucht man. Wir dürfen nicht nur im Hier und Jetzt leben, sondern müssen auch an Morgen denken. Ich fordere unser Team auf, ganz bewusst innovative Reizpunkte zu setzen, damit Brockhaus 2025+ gestaltet werden kann. Zunächst ohne ökonomische Hand- und Denkbremse.  

Braucht man gelegentlich eine Feststellbremse als Unternehmer?

Die Verlagsauslieferungen stehen im  Wettbewerb unter großem Druck. Die Herausforderung wird sein, trotz steigender Fixkosten und reduzierter Margen eine weiterhin solide betriebswirtschaftliche Entwicklung zu erhalten, selbst eine positiv besetzte Ausstoßerweiterung geht nicht ohne Rüstaufwand und Investitionen. Vor allem muss man sich auf die Veränderung der Märkte einstellen. Bremsen geht da gar nicht, ich würde eher von kontrolliertem Gas geben sprechen.

Was wäre denn ein Beispiel für kontrolliertes Gas geben in diesem Zusammenhang?

Unsere Abteilung des Export Agents haben wir im Frühjahr geschlossen und die dort personell vorhandenen Kompetenzen im Umgang mit globalen Liefer- und Datenströmen in der Verlagsauslieferung angesiedelt. Unsere stetig größer werdende Anzahl an weltweit operierenden Verlagskunden benötigen eine noch intensivere Betreuung durch Ansprechpartner, die über das Tagesgeschäft hinaus multilingual als Koordinatoren für vielfältige Projekte unterstützend aktiv sind. Wir leben in einer Welt, in der Content stets global verfügbar ist und die Ströme an Steuerungsinformationen für analoge, digitale und kombinierte Produkt- und Darreichungsformen global gelenkt werden müssen. Eine Aufgabe, der wir uns stellen und für die wir uns neu aufgestellt haben. Diese Neuausrichtung schaffen wir mit Bordmitteln, ganz im Stillen. Wie wir uns oft ohne Aufsehen weiterentwickeln. Wichtig ist die objektive Fremdwahrnehmung, nicht die subjektiv informierte Branchenöffentlichkeit.             

Das klingt nach Zurückhaltung in der Außendarstellung. Kann man sich das überhaupt noch leisten?    

Wenn jeder glaubt, der Größte zu sein, kann daraus nur Durchschnitt entstehen. Deshalb erhalten wir uns unsere Bodenhaftung und verzichten auf plakative Prospektinnovationen, wir agieren extern und intern innovativ und zukunftsorientiert zum Nutzen der Verlags- und Handelskunden.

Dann ganz konkret Ihr State of Mind für das neue Jahr?

Für unsere Kunden ist relevant, dass wir ein Auslieferungspartner sind, der technologieseitig auf der Höhe der Zeit oder ihr gar voraus ist und investiv die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens in der Branche sicherstellt. Im Schulterschluss mit den Kunden definieren wir unseren Erfolg über die abgelieferte Leistung, weniger über Reden als über das Machen. Und einmal im Jahr legen wir die Zurückhaltung in der Außendarstellung mit unserem Filmplakat als Werbemotiv für unseren Gemeinschaftsstand auf der Buchmesse in Leipzig auch ab. Da bieten wir wirklich jährlich etwas ganz Außergewöhnliches, dann darf darüber auch geredet und ein wenig geschmunzelt werden.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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