Heute fand im Haus des Buches in Frankfurt die Wirtschafts-Pressekonferenz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels statt.
Pressesprecher Thomas Koch begrüßte die Medienvertreter. Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis nannte die Pressekonferenz „etwas Besonderes“, weil die Frage, was auf dem deutschen Buchmarkt los sei, im Mittelpunkt stehe. „Wirtschaftszahlen sind wichtig, aber sie sind nicht alles. Wir hatten von den Verlagen die Rückmeldung bekommen, dass der Absatz zunehmend schwieriger werde. Also mussten wir den Dingen auf den Grund gehen“, erläuterte Skipis. Von 2013 bis 2017 hat die Buchbranche 6,4 Millionen Käufer verloren. „Der relativen Stabilität der Branche in den letzten 15 Jahren steht ein erheblicher Käuferschwund gegenüber“, stellte der Hauptgeschäftsführer fest. Dabei sei der Umsatz 2017 im Vergleich zu 2016 nur um 1,6 Prozent zurückgegangen, insgesamt erwirtschaftete die Branche im vergangenen Jahr 9,13 Milliarden Euro. Weniger Käufer erwarben mehr und teurere Bücher.
Skipis ging auf die Rahmenbedingungen ein: Er nannte die Preisbindung elementar, sie schütze das Kulturgut Buch und müsse beibehalten werden. Man werde der Auffassung der Monopolkommission ein fundiertes und neues Gutachten entgegen stellen. Ausbleibende Ausschüttungen der VG-Wort (seit 2012) schwächen die Verlage. In dieser Frage sei dringend eine europäische Klarstellung notwendig. „Wir sind an diesem Thema dran, die entsprechenden EU-Richtlinien sollen noch in diesem Jahr geändert werden“, informierte Skipis.
Dritte Rahmenbedingung sei das seit 1. März 2018 in Kraft befindliche Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, das den Verlagen ebenfalls zu schaffen macht. „Die Verlage werden praktisch zu 15 Prozent enteignet. Wir sind mit der Politik im Gespräch.“
Heinrich Riethmüller, Vorsteher und Geschäftsführer der Osianderschen Buchhandlung, kommentierte einzelne Zahlen. „Das Sortiment verliert zwar zwei Prozent des Umsatzes, verkauft aber immer noch jedes zweite Buch und erwirtschaftet einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro.“ Der Internetbuchhandel (1,71 Milliarden Euro) legt um 1,5 Prozent zu. Versandbuchhandel, Warenhäuser und Buchgemeinschaften spielen kaum mehr eine Rolle.
Nach wie vor steht die Belletristik mit einem Umsatzanteil von 31,9 Prozent an erster Stelle. Geisteswissenschaften, Kunst und Musik haben einen Anteil von 4,6 Prozent und büßen 6 Prozent ein. Lediglich der Bereich Schule und Lernen (10,9 Prozent) konnte um 0,9 Prozent zulegen.
Mit 72.499 Erstauflagen (2016: 72.820) lag die Buchproduktion etwas unter dem Vorjahr.
„Das E-Book verzeichnet einen leichten Rückgang und hat 4,6 Prozent Anteil am Gesamtumsatz“, erläuterte Matthias Heinrich, Schatzmeister und Geschäftsführer Brockhaus Kommissionsgeschäft. „Der Preisrückgang – durchschnittlich kostete ein E-Book 6, 38 Euro und damit 34 Cent weniger als 2016 – ist spürbar.“ 3,5 Millionen Käufer, 5,2 Prozent der Bevölkerung, erwarben 29,1 Millionen E-Books. Wer sich einmal für E-Books interessiert hat, kauft durchschnittlich 8,3 Bücher jährlich in diesem Format. Nach wie vor liegt der Anteil der Belletristik mit 82 Prozent an der Spitze der Warengruppen.
Jana Lippmann, Leiterin Marktforschung, sprach über die Studie Buchkäufer – quo vadis?, die in Kooperation mit der GfK durchgeführt wurde. „Weniger Käufer erwerben mehr Bücher, insgesamt ist ein Rückgang der verkauften Titel zu verzeichnen“, fasste Lippmann das erste Ergebnis der Studie zusammen. Gerade bei den 20- bis 49-Jährigen sei eine hohe Abwanderung festgestellt worden. Der Bildungsstand, der Unterschied zwischen Stadt- oder Landbewohnern spielten dabei keine oder kaum eine Rolle. Allerdings gibt es inzwischen viel mehr Mitbewerber auf dem Freizeitmarkt. Das Internet mit vielen Film- und Videoangeboten, die digitale Kommunikation und Online-Spiele haben das Lesen offenbar verdrängt. Filmausschnitte aus Gruppendiskussionen mit früheren Lesern im Rahmen der Studie zeigten: Ständig an den Dingen dran zu bleiben, jederzeit erreichbar zu sein – das stresst. Neben dem Bett verstauben die Bücher, Pad und Handy sind die neuen Gefährten vor dem Einschlafen.
Die neuen Medien nehmen nicht nur mehr Zeit in Anspruch, sie verursachen auch Aufmerksamkeitsdefizite, können Süchte provozieren und sind für einen Wertewandel verantwortlich. Jana Lippmann drückte es drastisch aus: „Koma-Glotzen statt Bücher lesen ist angesagt.“ Der einstige Spruch, dass Schlaue lesen und Doofe glotzen, gelte nicht mehr. Serien sind gesellschaftsfähig geworden. Lesen ist in der Freizeit bestenfalls eine von vielen Optionen.
Aus der Studie und den Gesprächsrunden lassen sich Erkenntnisse ableiten: Es muss der Branche gelingen, ein besonderes Erlebnis um das Buch zu bieten. Auf das Buch muss stärker aufmerksam gemacht werden. Eine Orientierung in der Titelflut ist notwendig.
„Ein bisher spürbares diffuses Unwohlsein in der Branche weicht nun einer Aufbruchstimmung“, sagte Skipis. Es sei eine Riesenchance für den Buchhandel, der näher an den Kunden muss. Die Entwicklung bestimmter Lese-Apps sei eine von vielen Ideen.
Dabei, so verdeutlichte der Hauptgeschäftsführer, gehe es nicht darum, Lebenswelten gegeneinander auszuspielen. Die Bundesregierung sei jedoch gut beraten, dem Thema Lesen bereits im Kindesalter verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. „Wenn längere Texte kaum mehr gelesen und noch weniger verstanden werden, kann das eine ziemlich gefährliche Entwicklung bedeuten“, warnte Skipis.
Die Buchbranche sei dennoch nicht mit der Textil- oder Baubranche vergleichbar. Riethmüller machte das an einem Beispiel deutlich: „Wenn bei der Osianderschen eine Rendite von 2,5 Prozent erzielt werden konnte, war das ein gutes Jahr für uns.“ Unternehmer anderer Branchen würden das ganz anders sehen und sich damit nicht zufrieden geben.
Details zu den einzelnen Zahlen sind unter buchmarkt2017 nachlesbar. Im August erscheint dazu wie gewohnt die entsprechende Broschüre.
JF